Urteile

Urteile zum Dieselskandal bei Mercedes

Zu Klagen von Autobesitzern gegen die Daimler AG

www.anwalt.de vom 11.05.2023

BGH-Grundsatzurteil – 8. Mai 2023


Der Bundesgerichtshof hat heute über fünf Stunden das Thema "Dieselskandal" mit Verbraucher- und Hersteller-Anwälten verhandelt. Es ging um Motoren der Hersteller Audi, Mercedes Benz und VW.


Im Verfahren mit dem Aktenzeichen VIa ZR 533/21 hatte der Kläger im Mai 2018 von einem Vertragshändler der Audi AG einen Audi SQ5 Allroad 3.0 TDI, der mit einem Motor der Baureihe EA 896Gen2BiT ausgerüstet ist, gekauft. In dem Verfahren mit dem Aktenzeichen VIa ZR 1031/22 hatte der Kläger im Oktober 2017 von der Mercedes-Benz Group AG einen Mercedes-Benz C 220 d, der mit einem Motor der Baureihe OM 651 ausgerüstet ist gekauft. Ferner ging es in einem weiteren Verfahren um einen VW, der den Motor EA288 verbaut hatte.


Der Ausgang der heutigen Verhandlung wurde mit Spannung erwartet, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil vom 21.03.2023 (Aktenzeichen: C-100/21) einem Verbraucher im Streit mit Mercedes-Benz Recht gegeben hatte: Danach muss der Autobauer einem Kunden grundsätzlich Schadensersatz zahlen, weil in dessen Diesel-Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung verbaut worden war. Für die Haftung reicht nach den Vorgaben des EuGH bereits einfache Fahrlässigkeit des Herstellers (und nicht erst - was der Bundesgerichtshof bislang verlangt hatte - eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung), wenn ihm durch die Abschalteinrichtung ein Nachteil entstanden ist.


Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?


Heute wurde noch keine Entscheidung verkündet. Die Urteile sollen vielmehr am 26.06.2023 gesprochen werden.


Wie haben sich die Richter in der Verhandlung positioniert?


Die Anwälte der Autohersteller argumentierten heute damit, dass es - wie im Fall von VW etwa - eine uneingeschränkte Typ-Genehmigung durch das KBA gegeben habe und sich die Hersteller darauf verlassen hätten. Der Senat ließ Zweifel erkennen, dass dies ausreiche. Daher sind wir vorsichtig optimistisch, dass die Klagen Erfolg haben werden. Die Vorsitzende ließ durchklingen, dass sie sich der Senat zumindest die Geltendmachung des sog. kleinen Schadensersatzes vorstellen könne.


Der kleiner Schadenersatz beläuft sich auf den Minderwert des gelieferten Autos im Vergleich zu einem Wagen, wie er hätte sein sollen. Dies bedeutet, dass das Fahrzeug nicht zurückgeben werden kann, sondern behalten werden muss. Der großer Schadenersatz hingegen bedeutet faktisch eine Rückabwicklung des Kaufvertrages. Das heißt, der Kunde erhält den Kaufpreis zurück, muss/darf dafür das Auto zurückgeben und eine "Entschädigung" für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zahlen. Hinzu kommen mögliche Zinsansprüche. 


Sobald der BGH seine Urteile verkündet, werden wir an dieser Stelle darüber berichten.


www.lto.de vom 23.03.2023

EuGH widerspricht BGH im Dieselskandal - Von wegen eindeutige Rechtslage


von Dr. Felix W. Zimmermann


Der EuGH läutet den Dieselskandal 2.0 ein: Auch bei fahrlässiger "illegaler Abschalteinrichtung" müsse es Schadensersatz geben. Der BGH hielt das für völlig abwegig. Doch das EuGH-Urteil vom 21.03.2023, Gz.: C 100/21, hat Überzeugungskraft. 


"Die Rechtslage ist (…) von vornherein eindeutig" (BGH, Urt. vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19). "Weder Vorabentscheidungsersuchen einzelner Landgerichte noch die Stellungnahme der Europäischen Kommission (…) geben Anlass, an der Annahme eines acte clair zu zweifeln" (BGH, Urt. vom 16.09.2021 - VII ZR 190/20), sprach der Bundesgerichtshof (BGH) in völliger Selbstgewissheit.


Schadensersatzansprüche von Diesel-Käufern mit illegalem Thermofenster seien so abwegig, dass nach der acte-clair-Rechtsprechung nicht einmal eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angebracht sei. Ab heute ist klar: Diese Annahme des BGH war ein kolossaler Irrtum.


Millionen Diesel-Fahrer können sich wahrscheinlich bald bei unterinstanzlichen Gerichten bedanken, die weniger arrogant als die zuständigen BGH-Richter:innen sehr wohl Zweifel hatten. "Kann es wirklich richtig sein, dass der Einbau verbotener Abschalteinrichtungen in Diesel-Pkws, die die Abgasreinigung bei in Deutschland völlig üblichen Temperaturen herunterregeln, die Luft verpesten, keinen Schadensersatz für Käufer auslöst?", fragte etwa ein Einzelrichter am LG Ravensburg sinngemäß den EuGH.


Und der entschied jetzt: Ein Käufer eines Kfz hat einen "Anspruch darauf (…), dass dieses Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet" ist. Denn Normen, die Autoherstellern untersagen, die Gesundheit der Bevölkerung zu schädigen, schützen nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den Käufer von entsprechenden Pkws, denen die Rechtskonformität des Fahrzeugs durch eine sogenannte Übereinstimmungserklärung versichert wurde. Da Käufer solcher Fahrzeuge aktuell vom Risiko bedroht sind, dass ihre Fahrzeuge stillgelegt werden, eine alles andere als abwegige Ansicht.


Von Arroganz zur Zurückhaltung


Wenn der BGH keinen Drittschutz im Unionsrecht erkennen mochte, ist das angesichts der Normunklarheit in diesem Bereich natürlich gut vertretbar. Nicht nachvollziehbar ist allerdings die nicht zu irritierende Starrköpfigkeit des BGH, wenn die Gegenauffassung von mehreren Landgerichten vertreten wird. Stattdessen haben mehrere BGH-Senate diese nur kurz abgewatscht. Die Begründung des BGH zum mangelnden Drittschutz blieb hingegen selbst eher kursorisch.


Immerhin: In dem Moment als der BGH durch eine entsprechende Stellungnahme des Generalanwalts im Juni 2022 erkannte, dass auch in Luxemburg Zweifel bestehen, wurde die Notbremse gezogen. Laufende Verfahren auf "hold" gesetzt. Und nun will der BGH schon am 8. Mai darüber verhandeln, wie seine Rechtsprechung angepasst werden muss.


Fahrlässige Abschalteinrichtung reicht


Viel Spielraum lässt die EuGH-Rechtsprechung dem BGH wohl nicht. Klar ist: Das Erfordernis einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf Seiten der Autohersteller – diese bejahte der BGH im originären VW-Fall der "Umschaltlogik" im Jahre 2020 – ist keine Voraussetzung mehr. Es genügt für § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. mit dem Unionsrecht einfaches Verschulden, also auch Fahrlässigkeit (siehe § 276 BGB). Demnach muss also nicht einmal die positive Kenntnis einer illegalen Abschalteinrichtung auf Seiten der Automobilhersteller nachgewiesen werden. Eine fahrlässige Annahme der Legalität der Abschalteinrichtung genügt.


Diese dürfte vor dem Hintergrund, dass Abgaswerte im Realbetrieb hoffnungslos gerissen wurden, obwohl bessere Abgastechnik zur Verfügung stand und in vielen Fällen in den USA auch eingebaut wurde, wohl eher schwer zu verneinen sein. Insoweit hätten Hersteller auf Nummer sicher gehen können, hätten sie "up to date"-Abgasreinigungssysteme eingebaut. Genau dies unterblieb – aus Kostengründen.


Vor allem: Wie man ernsthaft davon ausgehen können sollte, eine Abgastechnik sei legal, die weite Teile des Jahres – wenn es kalt oder auch nur kälter ist – nicht funktioniert, dürfte jeden guten Glauben ausscheiden lassen.


Gewinner das Tages sind die Anwälte, auch diejenigen, die heute verloren haben. Denn auch wenn im Bereich der Dieselprozesse teilweise eine ausgewiesene Feindschaft zwischen den Anwälten beider Seiten besteht, von der neu zu erwartenden Klagewelle profitieren beide Lager. Es geht um viele Millionen, mindestens.


Realer Schaden in Sichtweite


"Der Dieselkunde" und damit der Verbraucher wird natürlich ebenfalls frohlocken, angesichts der Möglichkeit, Schadensersatz für ein Auto zu erhalten, was – jedenfalls bislang – ohne jede Einschränkung genutzt werden konnte.


Wenn man ehrlich ist, ist der monetäre Schaden auf Seiten der Diesel-Fahrer bisher eher ein hypothetisches Konstrukt des ungewollten Vertrages, das von einer rechtstreuen Behörde ausgeht, die durchgreift und Betriebsuntersagungen verhängt. Vor diesem Hintergrund war das VW-Urteil des BGH, in dem das Gericht Schadensersatzansprüche bei der VW-Abschaltautomatik bejahte, auch sehr verbraucherfreundlich, denn bekanntlich kam es faktisch selbst bei den VW-Abschalteinrichtung weder zu Betriebsuntersagungen, noch wurde eine Hardwarenachrüstung verlangt, sondern nur ein lächerliches Software-Update, das den Wagen im Regelfall kaum sauberer machte.


Doch nun haben sich die Vorzeichen geändert. Nach einem Urteil des VG Schleswig vom Februar 2023 droht die Stilllegung der Dieselfahrzeuge mit illegalem Thermofenster. Der Schaden der Dieselkäufer könnte also real werden. Auch von daher ist die verbraucherfreundliche Auslegung der Rechtslage durch den EuGH, neben seinem immer wieder betonten Bestreben Umweltschutz durchsetzen, von einiger Überzeugungskraft.


www.lto.de vom 14.07.2022

EuGH zum VW-Dieselskandal Thermofenster ist illegale Abschalteinrichtung


von Dr. Felix W. Zimmermann


Der EuGH hat heute der Argumentation von VW und deutschen Behörden, wonach das Abschalten der Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen aus Motorschutzgründen zulässig sei, eine klare Absage erteilt. Verbraucher haben Ansprüche.


Eine Software für Dieselfahrzeuge, die die Abgasreinigung bei üblichen Temperaturen und während des überwiegenden Teils des Jahres verringert, stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu den sogenannten Thermofenstern entschieden (Urt. v. 14.7.22, Rs.: C-217/20, C-134-20, C-145/20).


Gegenstand der Verfahren ist eine Software von Volkswagen (VW), die aber auch von fast allen anderen Herstellern verwendet wird. Sie ist so programmiert, dass die Einhaltung von Grenzwerten nur im Bereich bestimmter Temperaturen gewährleistet ist - und zwar - laut EuGH - nach Feststellungen von österreichischen Gerichten nur im Bereich zwischen 15 und 33 Grad, das sogenannte Thermofenster. Demnach wird bei in Europa völlig üblichen Temperarturen von unter 15 Grad die Abgasreinigung bereits gedrosselt und dann weiter auf 0 gesenkt. Die Autos stoßen somit viel mehr giftiges und gesundheitsschädliches Stickstoffoxid aus, als gesetzlich vorgesehen. 


02.06.2022

Chancen für Diesel-Verkäufer enorm gestiegen

EuGH-Generalanwalt widerspricht im Thermofenster-Streit dem BGH


Am Europäischen Gerichtshof (EuGH) bahnt sich im Diesel-Abgasskandal eine schwere Niederlage für den Bundesgerichtshof (BGH) und die Autoindustrie an. In seinen Schlussanträgen in einem Daimler-Verfahren verdeutlicht der EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos am 2. Juni 2022, dass Verbraucher Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn in ihren Fahrzeugen ein sogenanntes Thermofenster verbaut ist (Az. C 100/21). Ein Thermofenster stellt aus EuGH-Sicht eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, die die Abgasreinigung aufgrund der Außentemperatur regelt – sprich abschaltet.


Der Generalanwalt widerspricht mit seinen Anträgen der bisherigen Rechtsprechung des BGH. Damit steigen die Chancen der Verbraucher, vor Gericht Ansprüche gegen die Fahrzeughersteller wie Daimler, VW, BMW, Opel oder Fiat durchzusetzen. Denn in der Regel folgt der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts. Und dann muss der BGH seine Rechtsprechung anpassen.


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Schlussanträge sind Niederlagen für BGH und Autoindustrie


Die juristische Aufarbeitung im Diesel-Abgasskandal der Autoindustrie ist mittlerweile weit fortgeschritten. Gerade mit den unzähligen Urteilen zum Skandal um den VW-Motor EA189 war der Eindruck entstanden, dass die Autoindustrie Dieselgate hinter sich gelassen hat. Doch der Eindruck täuscht, wie jetzt der EuGH-Generalanwalt erneut eindrucksvoll unterstreicht.


Mit dem sich anbahnenden Urteil zum Thermofenster steigen die Chancen der Verbraucher enorm, vor Gericht Schadensersatz von VW, Mercedes, BMW, Opel und Fiat zu erstreiten. Die Fahrzeughersteller sollen in ihren Fahrzeugen mit unterschiedlichen Abschalteinrichtungen die Abgasreinigung so manipulieren, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden und nicht im realen Straßenbetrieb. Bei einer der Abschalteinrichtung handelt es sich um das Thermofenster, das die Abgasanlage über die Außentemperatur des Fahrzeuges steuert – sprich abschaltet.

 

Thermofenster führt nun doch zu deliktischer Haftung


Im vorliegenden Fall wollte das Landgericht Ravensburg vom EuGH darüber Auskunft haben, „ob das Unionsrecht dem individuellen Erwerber eines Fahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, einen Ersatzanspruch aufgrund deliktischer Haftung gegen den Fahrzeughersteller einräumt, und zwar auch bei einfacher Fahrlässigkeit.“ Nach deutscher Rechtsprechung setzt eine solche Haftung voraus, „dass die Unionsregelung über die EG-Typgenehmigung, nach der solche Abschalteinrichtungen verboten sind, auch darauf abzielt, die Interessen eines individuellen Erwerbers zu schützen“. Diesen sogenannten „Drittschutz“ hat der Bundesgerichtshof bisher nicht gesehen. Daher hat er bisher in Verfahren, die ein Thermofenster zum Gegenstand hatten, eine deliktische Haftung aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach §826 BGB abgelehnt. Das oberste deutsche Gericht sah in dem Vorhandensein dieser Abschalteinrichtung keinen Vorsatz. Kläger, so der BGH, müssten schon nachweisen, ob die Hersteller bei der Typgenehmigung dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Einbau des Thermofensters verschweigen haben.


EuGH-Generalanwalt erteilt BGH-Sichtweise eine Absage



Der EuGH-Generalanwalt erteilte am 2. Juni 2022 dieser Sichtweise eine Absage. Die Unionsregelung über die EG-Typgenehmigung schütze die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Fahrzeugs, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu erwerben, so Rantos in seiner Begründung. Der Generalanwalt nimmt weiter an, dass der Hersteller des Fahrzeugs dem Verbraucher durch die EG-Übereinstimmungsbescheinigung versichere, dass das erworbene Fahrzeug die Anforderungen des Unionsrechts erfüllt. Das Unionsrecht soll in diesem Fall nicht nur die Umwelt schützen, sondern auch die individuellen Rechte des Verbrauchers. Auch das sah der BGH in seiner Rechtsprechung bisher anders. 


21.02.2022

BGH-Entscheidung: Abgasskandal-Rechte lassen sich zehn Jahre lang durchsetzen


Am Bundesgerichtshof (BGH) haben die obersten Zivilrichter Deutschlands heute Zehntausenden PKW-Haltern, die ihre Rechte im Rahmen des VW-Abgasskandals nicht innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist durchgesetzt haben, eine zweite Chance ermöglicht. Die Karlsruher Richter entschieden nämlich, dass Neuwagenkäufer bis zu zehn Jahre nach dem Autokauf sogenannte Restschadensersatzansprüche wegen des Abgasskandals durchsetzen können.


Die Verjährungsfristen im Abgasskandal 


Für zivilrechtliche Ansprüche gilt normalerweise eine dreijährige Verjährungsfrist zum Jahresende. Wer also bereits 2015 im Zusammenhang mit der von VW veröffentlichten Ad-Hoc-Meldung von der Manipulation des eigenen Fahrzeugs erfuhr, konnte bis zum 01. Januar 2019 Schadensersatzansprüche in der Sache geltend machen.


Da die Rückrufbescheide im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal in der Regel erst im Jahr 2016 bei den betroffenen PKW-Haltern eingingen, kann es im Einzelfall auch sein, dass die Verjährung der eigenen Rechtsansprüche erst am 01. Januar 2020 eingetreten ist.


Im Fall von Betrug bzw. sittenwidriger Handlung lassen sich jedoch auch Restschadensersatzansprüche nach § 852 BGB durchsetzen – auf den Tag genau bis zu zehn Jahre ab dem Zeitpunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung. Übertragen auf den Abgasskandal bedeutet dies, dass Restschadensersatzansprüche bis zu zehn Jahre nach dem Fahrzeugkauf bzw. der -übergabe geltend gemacht werden können. Das haben die Richter am Bundesgerichtshof heute bestätigt.


Das sind die Hintergründe der heutigen BGH-Verhandlungen   


Die BGH-Richter haben sich mit den Verfahren zweier Kläger auseinandergesetzt. Beide besitzen ein VW-Auto, das den illegal manipulierten Motor der Baureihe EA189 enthält. Die Kläger haben ihre Fahrzeuge im Juli 2012 bzw. im April 2013 als Neuwagen erworben und sind im Jahr 2020 juristisch wegen des Abgasskandals gegen Volkswagen vorgegangen.


In der Vorinstanz hatten die PKW-Besitzer an den Oberlandesgerichten in Koblenz in Oldenburg keinen Erfolg mit ihren Klagen. Die Gerichte argumentierten, dass ihre Schadensersatzansprüche spätestens zum 01. Januar 2020 verjährt seien. Am Bundesgerichtshof entschieden die verantwortlichen Richter nun jedoch, dass Neuwagenkäufer wegen des Abgasskandals auch Anspruch auf Restschadensersatzansprüche haben. Dementsprechend muss Volkswagen die Kläger nun wegen des Abgasskandals entschädigen

 

So hoch fallen Restschadensersatzansprüche aus


Die Höhe des fälligen Restschadensersatzanspruches berechnet sich grundsätzlich genauso wie die Höhe von herkömmlichen Schadensersatzansprüchen. Demnach haben Verbraucher die Möglichkeit, ihre manipulierten Autos an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben, um im Gegenzug eine finanzielle Entschädigung zu erhalten, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert.


Betroffene Verbraucher müssen sich lediglich eine sogenannte Nutzungsentschädigung auf Basis der zurückgelegten Laufleistung ihres Autos sowie ggf. die Marge des jeweiligen Vertragshändlers von der fälligen Schadensersatzsumme abziehen lassen. Dafür haben Kläger ab dem Tag, an dem die jeweilige Klage eingereicht wurde, Anspruch Verzugszinsen, die die finale Entschädigungssumme erhöhen. 


LG Wuppertal verurteilt Daimler bei GLK zu Schadensersatz


Mit Urteil vom 15. November 2021 – 2 O 377/20 – hat das Landgericht Wuppertal die Daimler AG im Mercedes Abgasskandal zu Schadensersatz verurteilt. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um einen Mercedes-Benz GLK 250 BlueTEC. Die Klägerin hatte das Fahrzeug am 12. November 2018 zu einem Kaufpreis von 23.800,00 Euro bei einem Kilometerstand von 56.400 km erworben. Der GLK verfügt über einen OM 651-Dieselmotor der Abgasnorm Euro 6. Im Februar 2020 kam es für das Modell zu einem verpflichtenden Rückruf, nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) unzulässige Abschalteinrichtungen entdeckt hatte.


Wie das Landgericht Wuppertal zutreffend feststellt, verfügt das Fahrzeug über unzulässige Abschalteinrichtungen in Zusammenhang mit einem SCR-System. Dabei wird die Abgasrückführungsrate anhand zweier unterschiedlicher Betriebsmodi gesteuert. Auf dem Prüfstand wird dabei automatisch der „Modus 1“ aktiviert, der den Stickoxidausstoß optimiert. Die Abgasrückführungsrate wird erhöht, was zu einem niedrigeren Ausstoß an Stickoxid führt. Im normalen Straßenverkehr dagegen fährt das Fahrzeug im partikeloptimierten „Modus 0“. In diesem Modus werden die Grenzwerte für Stickoxid überschritten. Laut Landgericht stehe außer Zweifel, dass kein verständiger Autokäufer ein Kraftfahrzeug kaufe, welches zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidenden gesetzlichen Anforderungen nicht genüge und dessen Hersteller die vom KBA gleichwohl erteilte Typengenehmigung durch Täuschung erschlichen habe.


Das Gericht sprach der Klägerin Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB zu. Ihr Schaden liege im Abschluss des Kaufvertrags als eine ungewollte Verpflichtung. Die Daimler AG muss nach Rechtskraft des Urteils den manipulierten Mercedes GLK zurücknehmen und der Klägerin den Kaufpreis erstatten. Anrechnen lassen muss sie sich dabei einen Gebrauchsvorteil, der anhand der gefahrenen Kilometer zu berechnen ist. Das Gericht geht dabei von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 Kilometern aus. Da die Laufleistung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits 187.409 km betrug, erhält die Klägerin dann gegen Rückgabe des Fahrzeugs 11.000,27 Euro zuzüglich Verzugszinsen zurück.


LG Stuttgart spricht im Mercedes Abgasskandal Schadensersatz für bereits verkaufte E-Klasse zu


Mit Urteil vom 12.11.2021 – 14 O 255/21 – hat das Landgericht Stuttgart die Daimler AG zu Schadensersatz verurteilt. Da der nunmehr erfolgreiche Kläger das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils bereits weiter veräußert hatte, muss er dieses nicht zurückgeben, sondern sich lediglich den erhaltenen Kaufpreis auf seinen Schadensersatz anrechnen lassen. Im Ergebnis verurteilte das Gericht die Daimler AG zur Zahlung von 12.875,13 Euro an den Kläger.


Der Kläger hatte das streitgegenständliche Fahrzeug – einen Mercedes-Benz E 300 BlueTEC – mit einem Kilometerstand von 11.064 km zu einem Kaufpreis von 43.500,00 Euro am 22.06.2016 erworben. Am 08.08.2020 verkaufte er den Wagen, der zu dem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 83.000 km aufwies für 18.500,00 Euro weiter.


Das Fahrzeug war bisher nicht Teil einer verpflichtenden Rückrufaktion, sollte jedoch im Zuge einer freiwilligen Kundendienstmaßnahme ein Software-Update bekommen.


Das Gericht folgte den Ausführungen des Klägers, nachdem bei dem Fahrzeug lediglich auf dem Prüfstand die NOx-Emissionen optimiert werden. Dabei handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, weshalb der Kläger gemäß § 826 einen Anspruch auf Schadensersatz habe.



Der Kläger ist so zu stellen, als hätte er den Kaufvertrag, sowie den Darlehensvertrag zur Finanzierung des Diesel-Pkw nicht abgeschlossen. Das heißt, der Kläger gibt die E-Klasse zurück und bekommt im Gegenzug und unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung den Kaufpreis, sowie die Kosten, die er für das Darlehen aufgewandt hat, erstattet. Da er den Wagen in der Zwischenzeit weiter verkauft hatte, muss er ihn nicht zurückgeben, sondern sich den Erlös anrechnen lassen.


Im Ergebnis steht eine Verurteilung der Daimler AG zur Zahlung von 12.875,13 Euro zuzüglich Verzugszinsen.


LG Oldenburg verurteilt Daimler AG bei Mercedes ML 350 BlueTEC zu Schadensersatz


Mit Urteil vom 26. Oktober 2021 - 1 O 1242/20 - hat das Landgericht Oldenburg die Daimler AG im Mercedes Abgasskandal zu Schadensersatz verurteilt. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um einen Mercedes-Benz ML 350 BlueTEC mit dem Dieselmotor OM 642 und der Abgasnorm Euro 6. Das Landgericht stufte die im Fahrzeug enthaltene AdBlue-Dosierstrategie als unzulässige Abschalteinrichtung ein und sah in dem Verkauf eines derart mangelhaften Fahrzeugs eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung des Käufers. Diesem stehe deshalb gemäß § 826 BGB Schadensersatz zu.


Das Kraftfahrt-Bundesamt hat in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt und deshalb einen verpflichtenden Rückruf angeordnet. Der Kläger ließ das angeordnete Software-Update aufspielen. Hintergrund des Rückrufs war die im Fahrzeug eingesetzte AdBlue-Dosierstrategie. Unter Prüfstandbedingungen, die das Fahrzeug anhand verschiedener Parameter erkennt, wird in einen vergleichsweise effektiven Modus geschaltet, so dass das Fahrzeug auf dem Prüfstand die gesetzlichen Vorgaben zum Stickoxidausstoß einhält. Nach Erreichen einer bestimmten Stickoxidmasse schaltet der Motor dann in einen weniger effektiven Modus, so dass weit mehr Stickoxid ausgestoßen wird, als erlaubt.



Die Daimler AG muss nach Rechtskraft des Urteils das manipulierte Dieselfahrzeug zurücknehmen und dem Kläger den Kaufpreis erstatten. Lediglich eine Nutzungsentschädigung für bereits gefahrene Kilometer muss sich der obsiegende Kläger anrechnen lassen. Das Gericht berechnete diese auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 350.000 km.


23.09.2021

EuGH-Generalanwalt stuft Thermofenster in Dieselmotoren als gesetzeswidrig ein


Jetzt wird es im Diesel-Abgasskandal für Autobauer, die die Abgasreinigung ihrer Dieselmotoren mit einem sogenannten Thermofenster regeln, sehr eng. Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Athanasios Rantos bezeichnete Thermofenster als rechtswidrig. Volkswagen droht damit im Rechtsstreit um Abschalteinrichtungen am EuGH eine Schlappe. Der Generalanwalt stufte in einem Gutachten die bei Porsche und VW eingesetzten Thermofenster als gesetzeswidrig ein. Abgassysteme, bei denen die Abgasreinigung außerhalb eines vorgegebenen Temperaturbereichs und ab einer bestimmten Höhenlage gestoppt wird, verstießen gegen europäischer Recht (Az. C-134/20). In der Regel folgt das Gericht den Anträgen des Generalanwalts. Mit einem Urteil ist in einigen Monaten zu rechnen. Bereits im Dezember 2020 hat der EuGH Abschalteinrichtungen generell für illegal erklärt (Az. C-693/18). 

 

Chancen der Verbraucher auf Schadensersatz steigen Dank EuGH


Der EuGH erweist seinem verbraucherfreundlichen Ruf mal wieder alle Ehre. Wenn das Thermofenster in Dieselmotoren vom Gericht für illegal erklärt wird, steigen für Verbraucher die Chancen, ihre berechtigten Ansprüche im Abgasskandal gegen Autobauer wie VW, Daimler, Fiat, BMW und Opel vor Gericht durchzusetzen. In der Regel folgt der Gerichtshof dem Plädoyer des Generalanwalts. Geschädigte müssen durch die Folgen und Auswirkungen des Abgasskandals mit enormen Geldeinbußen kämpfen: Ihnen drohen Fahrverbote, Stilllegungen und Wertverluste, sofern sie die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Gericht geltend machen. Verbraucher sollten eine Individualklage erheben. Die Chancen stehen nach aktueller Rechtsprechung sehr gut.


Schon am 17. Dezember 2020 hatte der EuGH in einem französischen Verfahren gegen VW klar gemacht, dass Abschalteinrichtungen generell gegen geltendes Recht verstoßen. In einem neuen VW-Verfahren hat der Generalanwalt diese Sichtweise in seinem Schlussplädoyer für das sogenannte Thermofenster konkretisiert. In dem Verfahren geht es um drei Fälle, die vor österreichischen Gerichten verhandelt wurden, in denen Autos mit einer Software ausgestattet waren, die in einem bestimmten Thermofenster mehr Emissionen von Stickoxid (NOx) zulässt. Wie die ARD-Tagesschau am 23. September 2021 berichtete, fällt nach Ansicht des Generalanwalts das Thermofenster nicht unter die Ausnahme, die für Einrichtungen vorgesehen ist, die den Motor vor Schäden schützen sollen. Das Thermofenster schone vor allem Anbauteile, deren Funktionieren nicht den Schutz des Motors berühre.


VW argumentiert vor Gerichten seit Jahren, dass die Thermofenster dem Schutz des Motors dienen. Nach Angaben des EuGH ließ die Software höhere Stickoxid-Emissionen zu, wenn es kälter als 15 beziehungsweise wärmer als 33 Grad Celsius war oder das Auto in mehr als 1000 Höhenmetern gefahren wurde. Im Straßenverkehr bedeutet das jedoch, dass die Abgasreinigung die meiste Zeit ausgeschalten ist, weil in den vergangenen Jahren die Durchschnittstemperatur in Deutschland und Österreich deutlich unter 15 Grad Celsius lag und Autos vielfach in Höhen von mehr als 1000 Metern unterwegs waren.


Bundesgerichtshof ignoriert bisher Rechtsprechung des EuGH

Sind für den EuGH Abschalteinrichtungen generell illegal, so sieht der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Sache etwas anders – besonders beim Thermofenster. In verschiedenen Urteilen zu Daimler-Verfahren hat sich der sechste Senat dahingehend geäußert, dass der Einbau eines Thermofensters alleine keine sittenwidrige und vorsätzliche Schädigung der Verbraucher darstelle. Da müsse mehr dazukommen – zum Beispiel der Genehmigungsbehörde den Einbau der Abschalteinrichtung verschwiegen zu haben (Az.: VI ZR 433/19 vom 19. Januar 2021). Der siebte Senat geht noch einen Schritt weiter und urteilte am 16. September 2021, dass am Thermofenster generell nichts verwerflich sei und es bei Daimler keine Betrugsabsicht gegeben habe (Az. VII ZR 190/20 u.a.).


Am EuGH sind bereits mehrere Vorabentscheidungsverfahren aus Deutschland anhängig, die die bisherige Rechtsprechung des BGH im Abgasskandal auf den Prüfstand stellen sollen. Da geht es vor allem um das Thema Nutzungsentschädigung. Wenn Gerichte Verbrauchern im Abgasskandal Schadensersatz zusprechen, so müssen sie sich eine von Laufleistung und Kilometerstand abhängige Entschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs vom Schadensersatz abziehen lassen. Viele Juristen und auch Gerichte sehen darin eine Übervorteilung des Schädigers.



Verbraucherkanzleien prüfen darüber hinaus derzeit im Hinblick auf die Thermofenster-Entscheidungen des BGH verfassungsrechtliche Schritte. Insgesamt erweckt die BGH-Rechtsprechung in Teilen den Eindruck, als wolle die Justiz die Autoindustrie kostengünstig aus dem Abgasskandal entlassen. Mit dem Thermofenster will übrigens VW den Abgasskandal um dem Motor EA189 aus der Welt schaffen. In dem dazu gehörenden Software-Update soll nach Meinung von Experten ein Thermofenster stecken. Und das wird jetzt wohl vom EuGH für rechtswidrig erklärt. Ein alter Skandal wird so zu neuem Leben erweckt.

Das Thermofenster ist offensichtlich von allen Autobauern in Dieselmotoren eingesetzt worden. Von den Medien wird es jedoch hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Daimler-Skandal gesehen. Daimler bestreitet wie auch VW schon jegliches illegales Handeln. Merkwürdigerweise hat Daimler im Abgasskandal ein Bußgeld über 870 Millionen Euro bezahlen müssen. Es geht dabei um die Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber Mitarbeitern. Gerade ist auch ein Prozess gegen Daimler-Mitarbeiter zu Ende gegangen. Hier gab es Strafbefehle in bisher unbekannter Höhe. Die drei Angestellten mussten sich nicht zu den Vorwürfen äußern und werden im Unternehmen weiterbeschäftigt, berichtete am 22. September 2021 die Stuttgarter Zeitung.


29.07.2021

BGH trifft verbraucherfreundliche Entscheidung in Bezug auf die Verjährungsfrage im Dieselskandal


Die Verjährungsfrist im Rahmen des Abgasskandals

Die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) haben heute eine verbraucherfreundliche Entscheidung im Rahmen des Abgasskandals getroffen. Demnach hängt die Verjährung von Rechtsansprüchen im Abgasskandal davon ab, wann der jeweilige PKW-Besitzer Kenntnis von der Manipulation seines Fahrzeugs erhielt. Die allgemeine Berichterstattung über den Abgasskandal reiche laut BGH nicht aus, um sämtliche betroffene PKW-Besitzer über die Manipulation ihrer Fahrzeuge zu informieren.


Gleichzeitig gaben die BGH-Richter bekannt, dass die Teilnahme an einer Musterfeststellungsklage die Verjährung von Rechtsansprüchen auch dann hemmt, wenn der Eintrag in das Klageregister möglicherweise erst nach dem Eintritt der Verjährung erfolgte. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Teilnahme an der Musterklage nur erfolgte, um die eigenen Rechte später im Rahmen einer Individualklage durchzusetzen.


Rechtlicher Hintergrund: Die Verjährungsfrist im Rahmen des Abgasskandals

Im Fall von Betrug oder sittenwidriger Schädigung gilt in Deutschland eine Verjährungsfrist in Höhe von drei Jahren zum Jahresende ab Kenntnis der geschädigten Personen. Das bedeutet, dass die Schadensersatzansprüche innerhalb dieses Zeitraumes geltend gemacht werden müssen, da sie ansonsten verjähren.


VW veröffentlichte im Jahr 2015 eine Ad-Hoc-Meldung, in der der Konzern die Öffentlichkeit über die Fahrzeug-Manipulationen informierte. Deshalb verjährten die Rechte von betroffenen Verbrauchern am 01. Januar 2019, wenn diese bereits im Zuge der Ad-Hoc-Mitteilung von dem Abgasskandal wussten. Allerdings wussten nur die wenigsten betroffenen Fahrzeughalter bereits durch die Veröffentlichung dieser Meldung, dass auch ihr Fahrzeug illegal manipuliert wurde.


Mit diesem Sachverhalt haben sich die BGH-Richter befasst

In dem aktuellen Verfahren haben sich die BGH-Richter mit einem VW Tiguan befasst, der 2013 als Gebrauchtwagen gekauft wurde. Der PKW enthält den nachweislich manipulierten VW-Motor mit der Bezeichnung EA 189. Der Kläger schloss sich laut eigenen Angaben im Jahr 2018 der sogenannten VW-Musterfeststellungsklage an. Durch diese Verbandsklage sollte festgestellt werden, ob die Halter von manipulierten VW-Fahrzeugen Anspruch auf Schadensersatz haben.


2019 meldete der Verbraucher seine Teilnahme an der VW-Musterfeststellungsklage wieder ab und ließ seine Rechte individuell gegen VW durchsetzen. Er forderte den Konzern dazu auf, ihn finanziell zu entschädigen. Schließlich hätte er seinen mittlerweile verkauften PKW nicht zu denselben Konditionen erworben, wenn er zum Kaufzeitpunkt von dem Betrug gewusst hätte.


Am Landgericht (LG) Dessau-Roßlau sowie dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hatte der Kläger keinen Erfolg. Demnach könne er nicht belegen, dass er sich bereits 2018 in das Klageregister eingetragen hatte. Am 01. Januar 2019 seien die Rechte von betroffenen PKW-Haltern hingegen bereits verjährt gewesen. Ohnehin sei die Teilnahme an der Musterfeststellungsklage demnach rechtswidrig gewesen, wenn diese nur erfolgte, um noch im Jahr 2019 eine Individualklage zu erheben.


BGH hebt OLG-Entscheidung auf und positioniert sich verbraucherfreundlich

Die BGH-Richter hoben das Urteil des Oberlandesgerichts nun jedoch auf. Die verantwortlichen Richter entschieden nun, dass sich die Teilnahme an der VW-Musterfeststellungsklage auch dann verjährungshemmend auswirkt, wenn der Eintrag in das Klageregister erst im Jahr 2019 erfolgte. Hierbei spielt es keine Rolle, ob Verbraucher nur an der Musterklage teilnehmen, um anschließend individuell gegen den verantwortlichen Autohersteller vorzugehen.


Darüber hinaus könne laut BGH nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche betroffene Halter bereits 2015 von dem Abgasskandal erfuhren. Insofern müsse der Eintritt der Verjährungsfrist in der Sache von der individuellen Kenntnis jedes Verbrauchers abhängig gemacht werden. Der BGH hat das Verfahren deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen, wo nun ein verbraucherfreundliches Urteil erwartet wird.


Hunderttausende Verbraucher profitieren von der BGH-Entscheidung

Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass die meisten Verbraucher erst durch den amtlichen Rückruf von der Manipulation ihres Autos erfahren haben. Auch der Bundesgerichtshof hat nun eingesehen, dass die mediale Berichterstattung allein nicht ausreicht, um sämtliche Halter über den Abgasskandal zu informieren.


Die Entscheidung betrifft Hunderttausende Halter von VW-Autos mit manipulierten Motoren der Bezeichnungen EA 288, EA 896, EA 897 und EA 898 sowie die Besitzer manipulierter Autos von Herstellern wie Daimler, Fiat oder Opel. Diese Fahrzeuge wurden größtenteils seit 2018 wegen des Abgasskandals zurückgerufen. Betroffene PKW-Besitzer haben dementsprechend noch mindestens bis zum 01. Januar 2022 Zeit, um ihre Rechtsansprüche in der Sache durchzusetzen.


Restschadensersatzansprüche bestehen bis zu zehn Jahre nach Kauf

Tatsächlich können betroffene VW-Halter unabhängig von der dreijährigen Verjährungsfrist auch heute noch Schadensersatzansprüche geltend machen. Mehrere Oberlandesgerichte bestätigten nämlich bereits, dass im Rahmen des VW-Abgasskandals sogenannte Restschadensersatzansprüche bestehen, die erst zehn Jahre nach dem jeweiligen Kaufzeitpunkt verjähren.

Durch diese Restschadensersatzansprüche sollen betroffene Halter für die wirtschaftliche Bereicherung durch den Skandal entschädigt werden.


28.07.2021

Landgericht Stuttgart verurteilt Daimler AG erneut zu Schadensersatz / Mercedes E 220 CDI vom Abgasskandal betroffen


Parallel zur Musterfeststellungsklage gegen die Daimler AG wird der Autobauer im Diesel-Abgasskandal derzeit reihenweise von Gerichten zur Rechenschaft gezogen. Das Landgericht Stuttgart verurteilte Daimler am 18. Mai 2021 aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung (Az. 23 0 105/20). Daimler muss für einen Mercedes E 220 CDI Schadensersatz bezahlen. Die Chancen der Verbraucher, Ansprüche vor Gericht durchzusetzen, stehen so gut wie nie.


LG Stuttgart sieht auch Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts


Die Daimler AG muss nach dem vorliegenden Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart dem Kläger für den streitgegenständlichen Mercedes E 220 CDI Schadensersatz in Höhe von 16.979,02 Euro nebst Zinsen bezahlen (Az. 23 0 105/20). Hier nun die wichtigsten Fakten zum Verfahren im Stuttgarter Urteil:


  • Die Klägerpartei erwarb das Fahrzeug im April 2016 gebraucht zum Preis von 20.300 Euro. Das Fahrzeug der E-Klasse verfügt über einen Motor vom Typ OM 651 (Euro 5), der mit verschiedenen unzulässigen Abschalteinrichtungen zum Einsatz gekommen sein soll. Die Kontrolle der Stickoxidemissionen erfolgt über die Abgasrückführung (AGR). Das Fahrzeug besitzt keinen SCR-Katalysator. Die AGR wird für die Außentemperatur gesteuert. Das sogenannte Thermofenster manipuliert die Abgasreinigung derart, dass sie die meiste Zeit des Jahres ausgeschalten ist. Daimler, so der Vorwurf, habe das KBA bei der Zulassung des Fahrzeugs getäuscht und das Thermofenster verschwiegen. Mit Hilfe der Kühlmittel-Soll-Temperaturregelung erkennt die Motorsteuerung, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. Bei den Prüfstandbedingungen sei die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstünden. Im normalen Fahrbetrieb würden dagegen Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt, weshalb die NOx-Emissionen dann erheblich höher seien. Das On-Board-Diagnosesystem (OBD) müsse daher ebenfalls manipuliert worden sein. Ansonsten hätte es die Abgasmanipulation erkennen müssen. Im Juli 2020 verklagte der Verbraucher die Daimler AG auf Schadensersatz.



  • Das Gericht folgte in seinem Urteil dem Kläger. Der Kläger hat ein Fahrzeug erworben, das er so nicht kaufen wollte, und daher einen Schaden erlitten. Daimler ist aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen gegenüber dem Kläger haftbar. Der Kläger hat für das Gericht schlüssig das Vorhandensein der illegalen Abschalteinrichtungen vorgetragen. Das sogenannte Thermofenster sieht das Gericht in Verbindung mit einer Täuschung des KBA als zugestanden an. Das Gericht verwies in seiner Urteilsbegründung explizit auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Januar 2021 (Az. VI ZR 433/19). Der BGH hatte dabei klargemacht, dass der Einbau eines Thermofensters für sich genommen, keine sittenwidrige Handlung darstelle. Es müsse mehr dazu kommen – wie die Täuschung der Zulassungsbehörde. Das Stuttgarter Gericht sah diese Täuschung als gegeben an.


  • Daimler habe aus Sicht des Gerichts die Vorwürfe des Klägers nicht widerlegen können. Der Vortrag des Klägers zum Vorhandensein der behaupteten Abschalteinrichtungen sei nicht substantiiert bestritten worden. Daimler, kritisierte das Gericht weiter, habe lediglich nur pauschal vorgetragen. Daimler sei auch auf Anordnung des Gerichts nicht nachgekommen, die Funktionsweise des Thermofensters genauer zu erläutern. Auch das Argument, die Abschalteinrichtung sei zum Motorschutz notwendig, habe Daimler nicht belegt.


  • Die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung wertete das Gericht als Prüfstandserkennung.


  • Das Fahrzeug entspricht aus Sicht des Gerichts nicht der Norm im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007. Auf dem Prüfstand werden die Abgasnormen eingehalten, im Straßenverkehr jedoch nicht. Das Fahrzeug ist für das Landgericht mangelhaft. Selbst das Aufspielen des freiwilligen Software-Updates habe den Mangel nicht behoben.


  • Der Verbraucher muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Das Gericht setzte dazu eine zu erwartende Gesamtlaufleistung des Motors von 300.000 Kilometer an.


  • Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

26.07.2021

Strafbefehl gegen Daimler-Mitarbeiter wegen des Dieselskandals


Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat aktuell einen Strafbefehl wegen des Abgasskandals gegen drei Daimler-Mitarbeiter beantragt. Den Fachkräften von Daimler wird Betrug vorgeworfen. Konkret geht es um die Manipulation der Abgasreinigung von Daimler Diesel-Fahrzeugen der Schadstoffklasse Euro 6 im Zeitraum August 2011 bis einschließlich Dezember 2016.


Daimler manipulierte mehr als eine Million Diesel-Fahrzeuge


Seit dem Jahr 2018 hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) europaweit mehr als 1,4 Millionen Diesel-Fahrzeuge von Mercedes-Benz zurückgerufen, weil diese illegale Abschalteinrichtungen enthalten sollen. Dadurch geben die manipulierten Autos auf dem Prüfstand vor, die Umweltrichtlinien zu erfüllen. Im normalen Straßenbetrieb stoßen sie allerdings unerlaubt viele Schadstoffe aus. Eigentlich hätten sie also nie zugelassen werden dürfen.


In den Mercedes-Benz-Fahrzeugen entdeckte das KBA fünf verschiedene Abschalteinrichtungen. Diese Abschalteinrichtungen beeinflussen die Wirksamkeit des Stickoxid-Nachbehandlungssystems (SCR-Katalysator) sowie die Wirksamkeit der Abgas-Rückführung (AGR) der betroffenen PKW. Teilweise wurden sogar mehrere Abschalteinrichtungen in einem Fahrzeug entdeckt.


Der Daimler-Dieselskandal betrifft die Diesel-Motoren OM607, OM622, OM626, OM640, OM642 und OM651. Die Vier- bzw. Sechszylindermotoren wurden in beinahe sämtlichen Fahrzeugklassen von Mercedes-Benz verbaut. Dies betrifft die A-, B-, C-, E,- G-, R- und S- und V-Klasse sowie die Modellreihen CLA, CLS, GLC, GLE, GLK, GLE, ML, Sprinter Vito und Viano.


Daimler zahlte Millionenstrafe wegen des Abgasskandals


Für die Markteinführung eines Teils dieser manipulierten Mercedes-Modelle macht die Staatsanwaltschaft Stuttgart die drei Daimler-Mitarbeiter verantwortlich. Ihnen droht nun eine Freiheits- sowie eine Geldstrafe. Auch Daimler selbst zahlte bereits ein Bußgeld in Höhe von 870 Millionen Euro wegen des Abgasskandals an das Land Baden-Württemberg.


Betroffene Mercedes-Benz-Besitzer haben ebenfalls die Möglichkeit, eine Entschädigung von Daimler zu erhalten. Schließlich hätten die PKW-Halter ihre manipulierten Autos sicherlich nicht zu den gleichen Konditionen gekauft, wenn sie damals von dem Abgasskandal gewusst hätten. Darüber hinaus haben die PKW durch den Skandal unter anderem massiv an Wert verloren.


Diese Rechte haben die Besitzer von manipulierten Fahrzeugen


Wer ein illegal manipuliertes Fahrzeug besitzt, hat daher die Möglichkeit, das Auto an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben. Im Gegenzug erhalten die betroffenen Verbraucher eine finanzielle Entschädigung, die sich aus dem ursprünglichen Kaufpreis des Fahrzeuges abzüglich einer Nutzungsentschädigung zusammensetzt. Letztere ist abhängig von der individuellen Laufleistung des jeweiligen Fahrzeuges. Darüber hinaus erhalten die Kläger ab dem Tag der Klage-Einreichung Verzugszinsen, die die Entschädigungssumme erhöhen.



Alternativ besteht auch die Option, das manipulierte Fahrzeug weiter zu nutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten. In diesem Fall lassen sich etwa 20 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises in Form von Schadensersatz durchsetzen.


13.07.2021

BGH mit verbraucherfreundlichem Urteil im Diesel-Abgasskandal von Daimler / OLG muss weitere Manipulationen prüfen / Es geht nicht nur ums Thermofenster


Das Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) im Diesel-Abgasskandal spricht eine klare verbraucherfreundliche Sprache: Bei der Daimler AG geht es nicht nur um das sogenannte Thermofenster. Der 6. Zivilsenat entschied am 13. Juli 2021, dass das Oberlandesgericht Koblenz (Az. VI ZR 128/20) erneut verhandeln muss. Denn der Kläger wirft Daimler auch die Verwendung anderer Abschalteinrichtungen vor, und diesen Vorwürfen sind die OLG-Richter nicht nachgegangen. Dabei geht es unter anderem um die Manipulation des Kühlmittelsystems. Damit sollen die gesetzlichen Stickoxid-Werte auf dem Prüfstand eingehalten werden. Im normalen Straßenverkehr werde die Umwelt verpestet. Die Manipulationen, die das OLG Koblenz jetzt untersuchen muss, sind derzeit auch Gegenstand der Musterfeststellungsklage gegen Daimler.

 

Das sind die Hintergründe des Verfahrens


In dem Verfahren ging es um eine Mercedes-Benz C-Klasse mit dem Diesel-Motor OM 651. Der Kläger hat das Fahrzeug im Jahr 2012 erworben. Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) 2018 mehrere Mercedes-Modelle mit diesem Diesel-Motor wegen des Abgasskandals zurückrief, ging der Halter der C-Klasse juristisch gegen den Konzern vor und forderte Schadensersatz. Sein Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt von keinem Rückruf betroffen. Mittlerweile wurden jedoch nahezu sämtliche Mercedes-Modelle wegen des Abgasskandals zurückgerufen.


Die manipulierten Mercedes-Autos erkennen, wenn sie sich auf dem Prüfstand befinden und schalten in diesem Moment in einen umweltfreundlichen Abgasmodus. Dies wird teilweise mit Hilfe einer reduzierten Kühlmittelsolltemperatur erreicht. Diese wird während des behördlichen Abgastests von 100 auf 70 Grad Celsius heruntergefahren, was zu einem geringeren Stickoxid-Ausstoß führt.



Im normalen Straßenbetrieb steigt die Kühlmittelsolltemperatur allerdings auf 100 Grad an und somit auch der Schadstoffausstoß auf ein unerlaubt hohes Niveau. Daher hätten die betroffenen PKW-Modelle eigentlich nie zugelassen werden dürfen. Auch der BGH-Kläger geht davon aus, dass sein Fahrzeug eine Abschalteinrichtung dieser Art enthält. Dies muss das OLG Koblenz nun prüfen und klären, ob sich daraus ein Schadensersatzanspruch ergibt.


06.07.2021

Landgericht Berlin verurteilt Daimler wegen Dieselgate


Das Landgericht (LG) Berlin hat dem Halter eines manipulierten Mercedes-Benz GLK aktuell Schadensersatz wegen des Abgasskandals zugesprochen. Der Kläger erhält insgesamt rund 40.000 Euro sowie Verzugszinsen für die Rückgabe seines Fahrzeugs.


Kraftfahrt-Bundesamt rief Auto wegen Abgasmanipulation zurück


Der Kläger hatte den Kompakt-SUV vor sieben Jahren als Neuwagen für rund 52.000 Euro gekauft und seitdem mehr als 70.000 Kilometer mit dem PKW zurückgelegt. Zum Zeitpunkt des Kaufes ging der Kläger davon aus, dass sein Fahrzeug sämtliche Voraussetzungen für die Straßenzulassung erfüllt. 2018 erhielt der Mercedes-Fahrer jedoch einen Rückrufbescheid, den das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordnet hatte.


Die Zulassungsbehörde hatte in dem GLK sowie in weiteren Mercedes-Modellreihen Abschalteinrichtungen entdeckt, die die Abgasreinigung illegal manipulierten. So wurden die betroffenen Fahrzeuge nur zugelassen, da sie während Abgastests vorgaben, sauber zu sein. Im normalen Straßengebrauch stießen die Mercedes-Diesel-Autos hingegen ein Vielfaches der zulässigen Stickoxidmengen aus. Diese Form der Täuschung ging 2015 unter dem Begriff Abgasskandal in die Geschichtsbücher ein.


Im Zuge des Rückrufs musste der GLK-Besitzer ein Software-Update auf seinem Fahrzeug installieren, das die Abgasreinigung normalisieren sollte. Der PKW-Halter führte die Maßnahme durch, da sein Auto laut Rückrufbescheid sonst hätte stillgelegt werden können. Allerdings ging er juristisch gegen Daimler vor und forderte Schadensersatz für den Betrug. Das Landgericht Berlin bestätigte die Rechtsansprüche des Hauptstädters nun in erster Instanz.


BGH-Grundsatzurteil: Schadensersatzansprüche für betroffene Diesel-Fahrer


Bereits im Mai 2020 wurde ein Abgasskandal-Grundsatzurteil vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe erwirkt. Damals verkündeten die obersten Richter des Landes, dass die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen Anspruch auf Schadensersatz haben. Schließlich hätten sie die manipulierten PKW nicht zu demselben Preis gekauft, wenn sie damals von dem Betrug gewusst hätten.



Darüber hinaus mussten die betroffenen PKW-Besitzer wegen des Abgasskandals unter anderem enorme Wertverluste hinnehmen. Zudem kommen die verantwortlichen Hersteller oft nicht für die Reparaturkosten auf, die durch die Software-Updates entstehen. Da die manipulierten PKW nach dem Update jedoch mehr Abgase filtern, als es eigentlich vorgesehen war, zählen Probleme mit dem Motor nicht selten zu den Folgeerscheinungen eines Software-Updates.


24.05.2021

Verbraucherfreundliche Wende an Gerichten im Abgasskandal der Daimler AG perfekt

Daimler versinkt im Diesel-Abgasskandal


Gegen die Daimler AG hagelt es weiter verbraucherfreundliche Urteile. Das Landgericht Stuttgart hat den Autobauer am 14. Mai 2021 erneut aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung verurteilt (Az. 24 O 363/18). Er muss eine Mercedes V-Klasse 250D zurücknehmen und Schadensersatz bezahlen. Am 5. November 2020 wurde bereits am Oberlandesgericht Köln eine Verurteilung nach § 826 BGB erwirkt (Az. 7 U 35/20). Eine Revision ließ das OLG nicht zu.


Verurteilt: Keine Chance für Daimler am Landgericht Stuttgart


Die Daimler AG muss nach dem aktuellen Urteil der 24. Zivilkammer am Landgericht Stuttgart den streitgegenständlichen Mercedes-Benz V-Klasse 250D mit dem Motor OM 651 Euro 6 zurücknehmen und dem Kläger 47.580,66 Euro erstatten (Az. 24 O 363/18). Zu dem Fahrzeug lag ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vor. Hier nun die wichtigsten Fakten zum Verfahren im Stuttgarter Urteil:


  • Die Klägerpartei erwarb das Fahrzeug am 15. Juni 2016 zum Preis von 58.863,35 Euro als Neuwagen. Das Fahrzeug der V-Klasse verfügt über einen Motor vom Typ OM 651 (Euro 6), der mit verschiedenen Abschalteinrichtungen zum Einsatz gekommen sein soll. Mit Hilfe einer sogenannten Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung werden die EU-Abgasgrenzwerte im Normalbetrieb auf der Straße nicht eingehalten. Das Fahrzeug erkenne, ob es sich auf dem Prüfstand befinde oder nicht, so der Kläger. Am 30. November 2018 wurde Klage gegen die Daimler AG erhoben. 

  • Das Diesel-Fahrzeug unterlag einem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt. Die Behörde erkannte verschiedene unzulässige Abschalteinrichtungen. Die Klägerseite hält den Einbau einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung in der konkreten Ausgestaltung für sittenwidrig. Der geregelte Kühlmittelthermostat verringere außerhalb des Prüfzyklus NEFZ die Abgasrückführungsrate. Das führt dazu, dass im realen Straßenbetrieb die Abgasgrenzwerte nicht eingehalten werden können und so die Umwelt verpestet wird. Zudem erkenne die Motorsteuersoftware, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde. Dann erhöht es die Abgasrückführungsrate, um die NOx-Entstehung zu vermeiden, den NOx-Ausstoß zu optimieren und die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten. Die On-Board-Diagnose-Einheit sowie die Steuerung des SCR-Katalysators würden unzulässige Abschalteinrichtungen enthalten. 

  • Das Gericht folgte in seinem Urteil letztlich dem Kläger. Daimler muss das Fahrzeug zurücknehmen. Der Kläger hat ein Fahrzeug erworben, das er so nicht kaufen wollte, und daher einen Schaden erlitten. Daimler ist aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB wegen der Verwendung der Kühlmittel-Soll-Temperaturregelung im Abgaskontrollsystem gegenüber dem Kläger haftbar.


  • Den erfolgten Rückruf durch das KBA wertete die Kammer als Hinweis, dass die Behauptungen der Verbraucherseite zur Abschalteinrichtung nicht ins Blaue hinein erfolgten. Daimler hingegen habe die Prüfstandfunktion nicht hinreichend bestritten und keine substantiierten Angaben gemacht.


  • Das Fahrzeug entspricht aus Sicht des Gerichts nicht der Norm im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007. Auf dem Prüfstand werden die Abgasnormen eingehalten, im Straßenverkehr jedoch nicht. „Der Wirkungsgrad der Abgasreinigung verschlechtert sich ohne erklärbaren Grund, sobald der Motor nach dem Start 17,6 Gramm Stickoxide ausgestoßen hat. Außerdem wechselt die Motorsteuerung nach 1.200 Sekunden in den schmutzigen Abgasmodus.“ Das Fahrzeug ist für das Landgericht mangelhaft.


  • Daimler hat im Verfahren entgegen den getroffenen Gerichtsanordnungen den Rückrufbescheid des KBA lediglich unvollständig, mit teilweise geschwärztem Sachverhalt und ohne Begründung vorgelegt. Der gegen den Bescheid eingelegten Widerspruch legte Daimler überhaupt nicht vor. Das Gericht konnte aus den vorgelegten Unterlagen keine Erkenntnisse ziehen, die den Klägervortrag entkräfteten.


  • Das Gericht zog in seiner Verurteilung auch einen Vergleich zum Abgasskandal von VW um den Diesel-Motor EA189. „Der Unterschied zwischen dem streitgegenständlichen Motor und dem VW-Motor EA189 besteht letztlich nur darin, dass das gleiche Ziel, nämlich die Sicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte (nur) auf dem Prüfstand (…) auf technisch raffiniertere Art und Weise erreicht wird“ als beim Skandalmotor EA189 und „dementsprechend auch schwerer zu durchschauen“ sei.


  • Das Gericht hält auch das von Autobauern für den Einbau von Abschalteinrichtungen vorgetragene Argument des Motorschutzes für nicht stichhaltig. Das Gericht hatte in Erwägung gezogen, diese Frage dem EuGH vorzulegen. „Das Gericht sieht hierzu jedoch keine Veranlassung, da die vorgenannte Auslegung der VO 715/2007/EG derart offenkundig ist, dass für vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt“, heißt es im Urteil.


  • Das Gericht kritisierte die Vorgehensweise von Daimler, über Jahre hinweg das eigene Gewinnstreben über die Gesundheit der Bevölkerung gestellt zu haben. Zudem sei auch die Umwelt zu Schaden gekommen.


  • Der Käufer muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Das Gericht schätzte die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs auf 250.000 Kilometer.



  • Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


12.02.2021

OLG Nürnberg nimmt die Daimler AG bei verbindlichen Rückrufen in die Pflicht


Auch für Daimler wird es im Dieselskandal immer enger. Nachdem bereits das OLG Naumburg mit Urteil vom 18.09.2020, Az.: 8 U 8/20, den Premium-Autohersteller zu Schadensersatz verurteilte, forderte nunmehr das OLG Nürnberg mit einem aktuellen Hinweis vom 12.02.2021, Az.: 5 U 3555/20, die Daimler AG auf, zu der durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtung im Einzelnen Stellung zu nehmen.


Im Abgasskandal hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eine Reihe von Rückrufen für verschiedene Mercedes-Modelle angeordnet, damit eine unzulässige Abschalteinrichtung bzw. unzulässige Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems entfernt wird. Daimler hat gegen die Rückruf-Bescheide zwar jeweils Widerspruch eingelegt, das KBA hat die Widersprüche jedoch kürzlich zurückgewiesen.


Nun erhöht auch das OLG Nürnberg den Druck auf den Autobauer. Das Oberlandesgericht hat Daimler mit Hinweis vom 12. Februar 2021 aufgefordert, Farbe zu bekennen und zu den vom KBA bemängelten Abschalteirichtungen Stellung zu beziehen (Az.: 5 U 3555/20). Konkret geht es in dem Verfahren um einen Mercedes E 350 mit dem Dieselmotor OM 642 und der Abgasnorm Euro 6, für den das KBA eine verpflichtenden Rückruf angeordnet hatte.


Daimler streitet in Verfahren die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen regelmäßig ab und steht auf dem Standpunkt, dass die bemängelten Funktionen legal sind. Mit diesem pauschalen Abstreiten geben sich die Gerichte immer weniger zufrieden. Sie fordern die Daimler AG auf, sich im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast zu Funktions- und Wirkungsweise der Abschalteinrichtungen zu äußern.


Der Druck auf Daimler wächst auch durch weitere Gerichtsentscheidungen. So hat der BGH mit Beschluss vom 19. Januar 2021 deutlich gemacht, dass sich Daimler zur Funktionsweise der Thermofenster äußern und darlegen muss, welche Angaben gegenüber dem KBA zur Arbeitsweise der Abgasrückführung gemacht wurden (Az.: VI ZR 433/19)


Der EuGH hat mit Urteil vom 17.12.2020 klargemacht, dass Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig sind, wenn sie zu einer Erhöhung des Emissionsausstoßes im realen Straßenbetrieb führen und die Oberlandesgerichte Naumburg (Az.: 8 U 8/20) und Köln (Az.: 7 U 35/20) haben Daimler im Abgasskandals bereits zu Schadenersatz verurteilt.


26.02.2021

BGH-Grundsatzurteil zu Daimler-Dieselskandal verzögert sich erneut


Die für den 9. März geplante Verhandlung zum Daimler-Dieselskandal wurde kurzfristig abgesagt.

Nun muss der BGH zeitnah einen neuen Verhandlungstermin zu einem ähnlichen Verfahren ansetzen. Es wird bereits seit Monaten erwartet, dass sich die verantwortlichen Richter abschließend mit den verbraucherrechtlichen Ansprüchen im Daimler-Dieselskandal auseinandersetzen.


13.02.2021

Mercedes Abgasskandal: OLG Nürnberg nimmt die Daimler AG bei verbindlichen Rückrufen in die Pflicht


Auch für Daimler wird es im Dieselskandal immer enger.


Nachdem bereits das OLG Naumburg mit Urteil vom 18.09.2020, Az.: 8 U 8/20, den Premium-Autohersteller zu Schadensersatz verurteilte, forderte nunmehr das OLG Nürnberg mit einem aktuellen Hinweis vom 12.02.2021, Az.: 5 U 3555/20, die Daimler AG auf, zu der durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtung im Einzelnen Stellung zu nehmen. Für alle Mercedes-Fahrer, die ein Rückrufschreiben zwecks der Durchführung eines Software-Updates erhalten haben, ist es spätestens jetzt an der Zeit, ihre Ansprüche mit aller Konsequenz durchzusetzen.


Das KBA stellte bei zahlreichen Modellvarianten von Mercedes fest, dass Dieselmotoren mit der Typenbezeichnung OM651 und OM642 über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügen. Betroffen sind mittlerweile allein in Deutschland rund 550.000 Fahrzeuge von der A-Klasse bis zur S-Klasse und dem Transporter Sprinter. Daimler hat daher bereits vor Längerem damit begonnen, die Fahrzeuge zurückzurufen, um ein Software-Update aufzuspielen.


Gerade wenn man sich für ein hochpreisiges Fahrzeug aus dem Premiumsegment entschieden hat, möchte man sich natürlich in aller Regel nicht mit einem in seiner Wirkungsweise und seinen Folgen nicht genauer spezifizierten Software-Update abspeisen lassen. Zahlreiche Betroffene wollen ihre manipulierten Kfz daher zurückgeben und verklagen die Daimler AG auf Schadensersatz. In sämtlichen Prozessen vertritt Daimler rigoros den Standpunkt, dass man trotz der Feststellungen des KBA keine unzulässige Abschaltvorrichtung verwendet habe. Über die Hintergründe der amtlichen Rückrufe schweigt sich Mercedes jedoch schlicht und einfach aus.


Diese Verdunkelungstaktik der Daimler AG geht im Dieselskandal immer weniger auf. Nachdem bereits zahlreiche Landgerichte den Autobauer in der Haftung sahen, wird es auch in den Berufungsinstanzen für die Daimler AG zunehmend ungemütlich. Denn die Richter an einigen Oberlandesgerichten wollen sich offensichtlich nicht mehr mit dem typischen, völlig pauschalen Prozessvortrag abspeisen lassen. Dies zeigte bereits die Entscheidung des OLG Naumburg vom 18.09.2020, Az.: 8 U 8/20, wonach die Daimler AG dem Käufer eines Mercedes-Benz GLK 220 CDI mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 (Euro 5) wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung auf Schadensersatz haftet.


Auch in einem vor dem OLG Nürnberg geführten Verfahren zum Az.: 5 U 3555/20 wies der Senat in seinem Hinweis vom 12.02.2021 darauf hin, dass der Kläger vor dem Hintergrund des amtlichen Rückrufs des Kraftfahrt-Bundesamtes wegen des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung hinreichend substantiiert vorgetragen habe.


Der dortige Kläger kaufte 2014 einen Mercedes-Benz E 350 BlueTEC mit einem 3,0 Liter Dieselmotor des Typs OM642 und erhielt sodann Anfang 2020 ein Schreiben der Mercedes-Benz AG, wonach sein Fahrzeug einem amtlichen Rückruf unterliegt. Hierin wurde erklärt, dass „auf Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes im Rahmen eines verpflichtenden Rückrufs die Software des Motorsteuergerätes von mehreren Dieselfahrzeugen der Abgasnorm Euro 6 zu aktualisieren“ sei, um so „spezifische Kalibrierungen der Motorsteuerung zu verändern, die das Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässig einstuft“.


Nach unserer Auffassung stehen bereits aufgrund der vom KBA aufgefundenen illegalen Abschalteinrichtungen die notwendigen Tatsachen zur Verfügung, um Schadensersatzansprüche erfolgversprechend geltend zu machen. Daimler dementierte hierauf wie immer verallgemeinernd das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung.


Dieses pauschale Bestreiten der Daimler AG genügt dem OLG Nürnberg nicht. Vielmehr obliegt dem Hersteller eine sogenannte sekundäre Darlegungslast. Der 5. Zivilsenat richtet in seinem Hinweis vom 12.02.2021 deutliche Worte an die Daimler AG. Sofern die Beklagte das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung bestreiten wolle, sei sie gehalten, ihrerseits darzulegen, auf welche konkreten Beanstandungen des Emissionskontrollsystems das KBA die Rückrufanordnung gestützt habe. Dazu sei die Daimler AG als Adressatin des Bescheids ohne weiteres in der Lage. Das Oberlandesgericht weist den Stuttgarter Autobauer zudem darauf hin, dass eine Erläuterung „zweckmäßig“ erscheine, weshalb er die Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes nicht teile.


Der aktuelle Hinweis des OLG Nürnberg vom 12.02.2021, Az.: 5 U 3555/20, zeigt erneut, dass auch Besitzer von betroffenen Dieselfahrzeugen der Marke Mercedes-Benz ihre Schadensersatzansprüche mit aller Konsequenz verfolgen und durchsetzen sollten. Dies gilt erst recht, weil das KBA erst kürzlich bestätigte, dass nahezu alle Widersprüche, welche die Daimler AG gegen die Rückrufbescheide eingelegt hatte, zurückgewiesen wurden. Nachdem die Fachbehörde also nach erneuter Überprüfung ihre Auffassung bestätigte, dass die Fahrzeuge mit einer rechtswidrigen Abschalteinrichtung versehen sind, sollten auch die Zivilgerichte spätestens jetzt an einer Haftung nicht mehr zweifeln.


26.01.2021

Daimler AG erleidet vor Bundesgerichtshof Schiffbruch


Erstmals hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) am 19. Januar 2021 (Az.: VI ZR 433/19) im Diesel-Abgasskandal der Daimler AG zu Schadenersatzansprüchen von Verbrauchern geäußert. Der Autobauer erlebte dabei eine böse Überraschung. Der 6. Senat stellte zwar fest, dass für sich alleine gesehen der Einsatz eines sogenannten Thermofensters zur Abgasregulierung nicht sittenwidrig sei, es müssten schon andere Umstände dazukommen. Ein Umstand könnte im vorliegenden Fall aber sein, dass Daimler gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt „unzutreffende Angaben“ über den Einsatz von Abschalteinrichtungen gemacht habe. Der BGH hob deshalb das verbraucherunfreundliche Urteil auf. Das Oberlandesgericht Köln muss nun neu verhandeln und den Aspekt „unzutreffende Angaben“ beleuchten.


BGH-Entscheid ist eine Ohrfeige für das OLG in Köln


Damit hatte nun nach den zahlreichen verbraucherunfreundlichen Urteilen des BGH im VW-Abgasskandal niemand gerechnet: Die Daimler AG hat in Karlsruhe regelrecht Schiffbruch erlitten. Kläger werfen dem Autobauer vor, in der Abgastechnik von Mercedes-Fahrzeugen unterschiedliche unzulässige Abschalteinrichtung verwendet zu haben und sehen darin eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB. Dabei steht stets das sogenannte Thermofenster in der Diskussion, das die Abgasreinigung über die Außentemperatur reguliert – spricht ausschaltet oder beschränkt. Der BGH sah in der Entwicklung und dem Einbau eines Thermofensters keine sittenwidrige Handlung, da müsse schon mehr dazu kommen, unterstrich der 6. Zivilsenat. Die Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung müsse in dem Bewusstsein geschehen sein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf zu nehmen. Und an dieser Stelle hat das Oberlandesgericht Köln Rechtsfehler begangen und die Ausführungen des Klägers keine Beachtung geschenkt. „Unter Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör hat es dessen Vorbringen nicht berücksichtigt, wonach die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht habe. Mit diesem Vorbringen wird sich das Berufungsgericht zu befassen haben“, urteilt der BGH streng über das OLG Köln.



Für die Daimler AG wird es nun ganz eng. Wenn sie das Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) nicht im Genehmigungsprozess über den Einsatz des Thermofensters aufgeklärt hat, kann dies eben zur Sittenwidrigkeit führen. Warum sollte der Hersteller denn etwas gegenüber der Behörde verheimlichen, wenn er von der Legalität ausgeht. Auch durch die zahlreichen Rückrufe des KBA lässt sich nach dem BGH-Urteil der Eindruck nicht mehr verwischen, dass es zu „unzutreffenden Angaben“ gekommen ist. Weitere Umstände und Beweise für die Sittenwidrigkeit stellen natürlich weitere Abschalteinrichtungen dar. Dabei geht es nicht nur um das Thermofenster, sondern um die Themen Kühlmittelsolltemperatur und die Manipulation bei der AdBlue-Eindüsung. Hier gibt es bereits zwei aktuelle Urteil der Oberlandesgerichte Naumburg und Köln, die Daimler nach §826 BGB verurteilt haben.


18.12.2020

EuGH-Urteil: Abgasskandal holt gesamte Automobilindustrie ein


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich verbraucherfreundlich im Dieselskandal positioniert. Die verantwortlichen Richter bewerteten Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen als illegal, sofern der Schadstoffausstoß dadurch im normalen Straßenbetrieb über den Werten auf dem Prüfstand liegt. Der Abgasskandal holt nun nahezu sämtliche namhafte Fahrzeughersteller ein. Der Automobilindustrie drohen Rekord-Rückruf- und –Klagewellen.


Das Urteil bringt fünf Jahre nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals sehr viel Klarheit in die Sache. Schon lange steht fest, dass nicht nur Volkswagen die eigenen Automobile manipuliert hat. Auch weitere große Autobauer wie Daimler, BMW, Volvo und Fiat haben Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen verbaut. Nun ist klar: Diese Form der Manipulation war illegal. Für betroffene PKW-Halter standen die Chancen nie besser, erfolgreich Schadensersatzansprüche durchzusetzen.


Bislang rechtfertigten viele Hersteller die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit dem Schutz des Motors. Dieser Argumentation folgten die EuGH-Richter jedoch nicht. So sei eine Abschalteinrichtung nur dann erlaubt, wenn der Motor ohne die Abschalteinrichtung unmittelbare Schäden erleidet oder wichtige Funktionen wie die Lenkung ausfallen würden. Im Normalfall schützen Abschalteinrichtungen jedoch höchstens vor dem Verschleiß oder der Verschmutzung des jeweiligen Motors.


Der Abgasskandal wird uns wohl trotz dieses Urteils noch einige Zeit begleiten. Die nationalen Gerichte müssen im nächsten Schritt die Legalität der verschiedenen Abschalteinrichtungen der unterschiedlichen Hersteller einzeln bewerten. Dabei werden sie sich an der verbraucherfreundlichen Rechtsauslegung des EuGH orientieren. 


In Deutschland hat der Bundesgerichtshof diesbezüglich bereits zwei Verfahren angesetzt: Im Februar befassen sich die BGH-Richter mit der Zulässigkeit des VW-Software-Updates, das ebenfalls eine Abschalteinrichtung enthält. Im März steht dann ein Verfahren im Rahmen des Daimler-Dieselskandals an.

 

Deutsche PKW-Halter sollten sich schnell wehren – Verjährung droht


Für betroffene Verbraucher entsteht durch den Abgasskandal ein enormer Schaden. Die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen ist in den vergangenen Jahren bereits stark eingebrochen und die Fahrzeuge haben aufgrund des Abgasskandals an Wert verloren. Dieser Wertverlust betrifft nachweislich manipulierte Autos umso mehr. 


Die Halter von manipulierten Fahrzeugen können sich jedoch gegen den Betrug wehren und hohe Entschädigungen durchsetzen. Wir raten betroffenen PKW-Besitzern, ihre Ansprüche schnell geltend zu machen. Der deutsche Bundesgerichtshof positionierte sich nämlich zuletzt nicht sehr verbraucherfreundlich zum Thema Verjährung im Abgasskandal. Wer zu lange mit der Durchsetzung seiner Rechte wartet, hat demnach möglicherweise keinen vollen Schadensersatzanspruch mehr. 


Das sind die Verbraucherrechte im Abgasskandal 


Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiter zu nutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten. 


9.12.2020

BGH-Urteil im Daimler-Dieselskandal verzögert sich erneut


Der Bundesgerichtshof (BGH) wird sich erst im März 2021 mit der Legalität der Abschalteinrichtungen von Daimler auseinandersetzen. Das gab das oberste Gericht Deutschlands heute bekannt. Eigentlich war eine mündliche Verhandlung in der Sache für die kommende Woche angesetzt. Der Kläger zog seine Revision jedoch überraschend zurück. Eine höchstrichterliche Entscheidung im Daimler-Dieselskandal wird mit Spannung erwartet, denn diese wird Mercedes-Benz-Haltern in ganz Deutschland zu Rechtssicherheit verhelfen.


Das sind die Hintergründe des neuen Verfahrens


In dem Verfahren am 09. März 2021 geht es um einen Mercedes GLK, der im Dezember 2016 auf dem Gebrauchtwagenmarkt gekauft wurde. Der Kläger möchte den PKW an den Hersteller zurückgeben und fordert im Gegenzug Schadensersatz. Das Fahrzeug wird nämlich mit einem Diesel-Motor der Baureihe OM 651 angetrieben. Dieser Motor arbeitet mit einem sogenannten Thermofenster.


Diese Abschalteinrichtungen wurden in Mercedes-Fahrzeugen verbaut


Hinter dieser Begrifflichkeit steckt eine Abschalteinrichtung, welche die Abgasreinigung herunterfährt, wenn sich die Außentemperatur außerhalb eines gewissen Temperaturfensters befindet. Sobald sich die Außentemperatur unter bzw. über den Grenzwerten befindet, die in den Testlaboren vorgeschrieben wurden (in der Regel etwa 20 bis 30 Grad), wird die Abgasrückführung per Computerbefehl heruntergefahren. Das bedeutet, dass die betroffenen PKW bei weniger als 20 oder mehr als 30 Grad unerlaubt viele Schadstoffe ausstoßen. 


Daimler selbst argumentiert, dass das Thermofenster nötig sei, um den Motor der jeweiligen Fahrzeuge zu schützen. Experten zweifeln jedoch an der Notwendigkeit eines Thermofensters. Ende April hat die Generalanwaltschaft des Europäischen Gerichtshof (EuGH) beispielsweise in einem Schlussantrag verkündet, dass sämtliche Fahrzeugfunktionen als illegale Abschalteinrichtungen gelten, wenn diese im Realbetrieb zu einem höheren Abgasausstoß führen als auf dem Prüfstand. Das Autobauer-Argument, dass diese Einrichtungen dem Motorschutz dienen, ließ die Generalanwältin nicht gelten.


EuGH befasst sich zeitnah mit Legalität von Abschalteinrichtungen



Ein Urteil des EuGH wird seit diesem Schlussantrag erwartet. Terminiert wurde die Verkündung bislang jedoch noch nicht. Es ist allerdings nicht unwahrscheinlich, dass die obersten Richter Europas noch ihre Rechtsauffassung in der Sache noch vor dem 09. März 2020 verkünden. Diese hätte auch auf das Daimler-Verfahren am BGH Einfluss. Sollten die EuGH-Richter jegliche Abschalteinrichtungen für illegal erklären, hätten sämtliche Halter von manipulierten Fahrzeugen in ganz Europa Anspruch auf Schadensersatz – auch die Besitzer von Mercedes-PKW mit integrierten Thermofenstern.


12.11.2020

Im Diesel-Abgasskandal der Daimler AG hält Trendwende an

OLG Köln verurteilt Daimler


Die juristischen Entwicklungen der vergangenen Monate zeigen, dass die Daimler AG vor Gericht in die Defensive gerät und die Chancen der Verbraucher, die Verfahren zu gewinnen, derzeit enorm ansteigen. Mit dem Oberlandesgericht Naumburg hatte am 18. September 2020 erstmals ein Gericht der Berufungsinstanz den Autobauer nach § 826 BGB zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.



In einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln ist Daimler am 5. November 2020 nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden (AZ. 7 U 35/20). Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.

Die Diesel-Fahrzeuge sind durch die mögliche Manipulation am Abgaskontrollsystem des Motors in ihrem Wert gemindert.


22.09.2020

Erstes Oberlandesgericht verurteilt Daimler AG im Abgasskandal / Mercedes mit illegalen Abschalteinrichtungen


Die verbraucherfreundliche Wende im Diesel-Abgasskandal bei Daimler ist vollzogen. Mit dem Oberlandesgericht Naumburg hat erstmals ein Gericht der Berufungsinstanz den Autobauer nach § 826 BGB zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Der Kläger kann sein Fahrzeug zurückgeben und muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Das Gericht rüffelte die Verfahrensweise von Daimler. Daimler hatte dem Klägervortrag nichts entgegengesetzt und sich hinter Betriebsgeheimnissen verschanzt.


Verurteilt: Keine Chance für Daimler am OLG Naumburg


Die Daimler AG muss nach dem aktuellen Urteil des 8. Zivilsenats am Oberlandesgericht Naumburg den streitgegenständlichen Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC mit dem Motor OM 651 Euro 5 zurücknehmen und dem Kläger 25.741,43 Euro erstatten (Az. 8 U 8/20). Zu dem Fahrzeug lag ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts KBA vor. Hier die wichtigsten Eckdaten zum Verfahren und Urteil:


  • Der Kläger erwarb das gebrauchte Fahrzeug am 11. September 2014 zum Preis von 33.950 Euro. Das Fahrzeug der GLK-Klasse verfügt über einen Motor vom Typ OM 651 (Euro 5) und soll mit verschiedenen Abschalteinrichtungen zum Einsatz gekommen sein. Mit Hilfe einer sogenannten Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung werden die EU-Abgasgrenzwerte im Normalbetrieb auf der Straße nicht eingehalten.


  • Das Gericht folgte in seinem Urteil letztlich dem Kläger. Daimler muss das Fahrzeug zurücknehmen. Der Kläger hat ein Fahrzeug erworben, das er so nicht kaufen wollte, und daher einen Schaden erlitten. Daimler ist aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB wegen der Verwendung der Kühlmittel-Soll-Temperaturregelung im Abgaskontrollsystem gegenüber dem Kläger haftbar.


  • Das Fahrzeug entspricht aus Sicht des Gerichts nicht der Norm im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007. Auf dem Prüfstand werden die Abgasnormen eingehalten, im Straßenverkehr jedoch nicht. Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 8. Januar 2019 (Az. VIII ZR 225/17) unterstrichen, dass die Abgasnorm auch im Straßenverkehr einzuhalten ist. Das Fahrzeug ist für das Oberlandesgericht mangelhaft.


  • Für das Gericht lagen auch keine der EU-Norm folgenden Ausnahmezustände bei dem Fahrzeug vor, um von den Grenzwerten beim Stickoxidausstoß abweichen zu können. Das KBA hat daher die Abschalteinrichtung als unzulässig eingestuft. Das Gericht folgte dieser Argumentation. Das Fahrzeug ist nur mit einem Software-Update zulässig auf den Straßen unterwegs.


  • Der Senat stellt fest, dass das KBA sich bei den Abgasmessungen vollständig auf die Angaben des Herstellers verlassen hat und keine eigenen Untersuchungen angestellt hatte.

  • Für den Käufer bestand durch das Abweichen von der EU-Norm die Gefahr, dass das Fahrzeug die Fahrerlaubnis von Behördenseite entzogen bekommt. Diesen Umstand habe Daimler verschwiegen und somit den Kunden getäuscht.



  • Das Oberlandesgericht unterstrich, dass der Kläger das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung substantiiert also ausreichend vorgetragen habe. Der Stuttgarter Autobauer dementierte nur das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Mehr wurde nicht zu den Anschuldigungen vorgetragen. Verwertbare Aussagen zur Funktionsweise der Abgasreinigung gab es von Daimler nicht, obwohl das Gericht dies erwartet hatte. Daimler ist daher der sogenannten sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Für das Gericht war das gerade nach dem jüngsten BGH-Beschluss (Az. VIII ZR 57/19) zu wenig und verurteilte daher den Autobauer.


  • Das OLG hob das Urteil des Landgerichts Magdeburg auf (Az. 10 O 711/19). Hier war die Klage abgewiesen worden.


  • Der Käufer muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.


  • Eine Revision hat das OLG nicht zugelassen. Weil nach den BGH-Urteilen vom 25. Mai (Az. VI ZR 225/19) und 30. Juli 2020 (Az. VI ZR 5/20) in VW-Verfahren die Voraussetzungen dafür nicht mehr gegeben sind.

14.07.2020
Mercedes V-Klasse 250 d: LG Heilbronn sieht Sittenwidrigkeit erfüllt
Erneute Pleite für Daimler AG im Diesel-Abgasskandal

Das Landgericht Heilbronn hat am 29. Juni 2020 die Daimler AG im Diesel-Abgasskandal nach § 826 BGB aufgrund besonderer verwerflicher Sittenwidrigkeit verurteilt. (Az. 8 O 134/19). Die Chancen gegen Daimler vor Gericht zu gewinnen, sind mit dem Urteil und durch Äußerungen am Europäischen Gerichtshof enorm gestiegen. Temperaturabhängig gesteuerte Abschalteinrichtungen wie das von Daimler verwendete Thermofenster sind vor dem EuGH am 30. April 2020 in Schlussanträgen als unzulässig bezeichnet worden.

Höchststrafe: Mercedes muss sogar deliktischen Zins bezahlen

Die Daimler AG muss nach dem aktuellen Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn den streitgegenständlichen Mercedes-Benz der V-Klasse 250 d zurücknehmen und dem Kläger abzüglich einer Nutzungsentschädigung 58.920 Euro zuzüglich deliktischer Zinsen erstatten. Der Zins wird ab Kaufdatum ermittelt. Zu dem Fahrzeug lag ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts KBA vor. Hier die wichtigsten Eckdaten zum Verfahren und Urteil:
  • Das Fahrzeug der V-Klasse verfügt über einen Motor vom Typ OM 651 und soll mit verschiedene Abschalteinrichtungen zum Einsatz gekommen sein. Die Kontrolle der Stickoxidemissionen erfolgt in dem Mercedes über die sogenannte Abgasrückführung (AGR). Dabei werden Teile der Abgase in den Motor zurückgeführt und erneut verbrannt. Die Abgasrückführung wird mit dem „Thermofenster“ bei kühleren Außentemperaturen reguliert – also zurückgefahren. Die EU-Grenzwerte werden in diesem Fall im Normalbetrieb auf der Straße nicht eingehalten.

  • Das Gericht folgte in seinem Urteil letztlich dem Kläger. Daimler muss das Fahrzeug zurücknehmen. Der Kläger hat ein Fahrzeug erworben, das er so nicht kaufen wollte. Daimler habe fahrlässig und arglistig gehandelt und ist verpflichtet Schadensersatz zu leisten.

  • Das Fahrzeug entspricht nicht der Norm im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007. Auf dem Prüfstand werden die Abgasnormen eingehalten, im Straßenverkehr jedoch nicht. Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 9. Januar 2019 (Az. VIII ZR 225/17) ebenso wie das Europäische Gericht (T 339/16) unterstrichen, dass die Abgasnorm auch im Straßenverkehr einzuhalten ist.

  • Für das Gericht lagen auch keine der EU-Norm folgenden Ausnahmezustände bei dem Fahrzeug vor, um von den Grenzwerten beim Stickoxidausstoß abweichen zu können.

  • Für den Käufer bestand durch das Abweichen von der EU-Norm die Gefahr, dass das Fahrzeug die Fahrerlaubnis von Behördenseite entzogen bekommt. Diesen Umstand habe Daimler verschwiegen und somit den Kunden getäuscht.

  • Daimler hat durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs fahrlässig gehandelt. Mit der bewussten Täuschung von Verbrauchern und Behörden, „allein mit dem Ziel hohe Absatzzahlen zu erreichen“ sowie die Vielzahl der Geschädigten, begründete die Kammer die besondere Verwerflichkeit der Daimler AG.

  • Besonders rügte das Landgericht Heilbronn die Verfahrensführung des Autokonzerns. Der Stuttgarter Autobauer dementiert das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Thermofenster diene dem Motorschutz und sei daher legal. Außerdem argumentiere der Kläger nur ins Blaue hinein. Mehr wurde nicht zu den Anschuldigungen vorgetragen. Den entsprechenden KBA-Bescheid legte Daimler in den wichtigsten Passagen nur geschwärzt vor. Substantiierte Aussagen gab es von Daimler nicht. Für das Gericht war das gerade nach dem jüngsten BGH-Beschluss zu wenig und verurteilte daher den Autobauer.

  • Wer für den Einbau der Abschalteinrichtung verantwortlich ist, war für das Gericht klar:  „Angesichts der Tragweite der Entscheidung über die riskante Gestaltung der Motorsteuerungssoftware, welche flächendeckend in vielen hunderttausend (…) Fahrzeugen eingesetzt werden sollte, erscheint es fernliegend, dass die Entscheidung (…) ohne Einbindung des Vorstands erfolgt und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte. Es handelt sich der Sache nach um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den gesamten Konzern und auch massiven persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen …“. Dabei kam sie zu dem Schluss: „Aufgrund des maßgeblichen Sach- und Streitstands ist davon auszugehen, dass die Installation der Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware mit Wissen und Wollen eines oder mehrerer Mitglieder des Vorstands … erfolgte.“

  • Der Käufer muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.

  • Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Diesel-Abgasskandal: OLG Köln erhöht in Mercedes-Verfahren Druck auf Daimler AG / Ende der Geheimniskrämerei vor Gericht

Jüngste Entscheidungen vor dem Bundesgerichtshof BGH wirken sich bereits auf aktuelle Verfahren im Diesel-Abgasskandal aus. Das Oberlandesgericht Köln hat die Daimler AG in einem Verfahren dazu aufgefordert, die Funktionsweise eines Motors im Hinblick auf das Abgaskontrollsystem zu erklären (Az. 24 U 410/19).

Im vorliegenden Fall will der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Beschluss vom 18. Mai 2020 (Az. 24 U 410/19) folgende Fragen von der Daimler AG beantwortet haben:

  1. Ab welchen Temperaturen und in welcher Weise die Abgasrückführung des streitgegenständlichen Fahrzeugs gesteuert wird?
  2. Inwiefern ist dies notwendig, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sichern Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten?
  3. Arbeitet die Steuerung der Abgasrückführung länger als zum Anlassen des Motors erforderlich ist?
In dem Mercedes wird ganz offensichtlich die Abgasrückführung über ein sogenanntes Thermofenster reguliert. Und temperaturabhängige Kontrollsysteme sind in einem Gutachten am EuGH als unzulässige Abschalteinrichtungen bezeichnet worden. Die Autobauer gehen jedoch davon aus, dass solche Abschalteinrichtungen zum Schutz des Motors zulässig sind. In dem Gutachten ist klargemacht worden, dass die Motorschutzbestimmung sehr eng ausgelegt werden müsse. Das EuGH-Gutachten spricht dabei von unmittelbaren und plötzlichen Schäden beispielsweise an der Lenkung. Langfristigere Auswirkungen wie Abnutzung oder Wertverlust dürfen keine Rolle spielen. In der Regel folgt der EuGH den Ausführungen des Gutachters in seinem Urteil.

Mercedes C 220 BlueTec: Daimler AG im Diesel-Abgasskandal in Stuttgart erneut verurteilt

Und wieder hat die 20. Kammer des Stuttgarter Landgerichts die Daimler AG im Diesel-Abgasskandal verurteilt. Nach § 823 Abs. 2 BGB ist der Autobauer schadensersatzpflichtig, heißt es am 18. Juni 2020 in der Urteilsbegründung (Az. 20 O 65/20). Die Chancen gegen Daimler vor Gericht zu gewinnen, sind mit dem Urteil und durch Äußerungen am Europäischen Gerichtshof und Bundesgerichtshof enorm gestiegen. Temperaturabhängig gesteuerte Abschalteinrichtungen wie das von Daimler verwendete Thermofenster sind vor dem EuGH im April 2020 in Schlussanträgen als unzulässig bezeichnet worden.

Mercedes handelt beim Abschluss des Kaufvertrags fahrlässig

Die Daimler AG muss nach dem aktuellen Urteil der 20. Zivilkammer des Landgericht Stuttgarts den streitgegenständlichen Mercedes-Benz C 220 BlueTec zurücknehmen und dem Kläger im Gegenzug 5557,17 Euro nebst Zinsen bezahlen. Der Kläger wird von 17.324 Euro freigestellt, die er noch der Mercedes-Bank AG schuldet. Der klagende Verbraucher muss sich jedoch eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, da er durch die Benutzung des Fahrzeugs nach Ansicht des Gerichtes einen Vorteil hatte.

Mercedes CLS 250 CDI: Daimler AG im Diesel-Abgasskandal erneut nach § 826 verurteilt
Erneut hat das Landgericht Frankenthal die Daimler AG im Diesel-Abgasskandal verurteilt. Vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB stand am 21. April 2020 in der Urteilsbegründung. Temperaturabhängig gesteuerte Abschalteinrichtungen wie das von Daimler verwendete Thermofenster sind vor dem EuGH am 30. April 2020 in Schlussanträgen als unzulässig bezeichnet worden.

Bundesgerichtshof – Terminhinweise
Stand 15.06.2020
"Dieselverfahren“ gegen die Daimler AG (VI ZR 162/20) am 27. Oktober 2020, 9.30 Uhr
Datum: 27.10.2020
Kameraöffentlichkeit: Noch offen

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat erneut über Schadensersatzansprüche eines Fahrzeugkäufers gegen einen Fahrzeughersteller zu entscheiden. Der klagende Käufer macht geltend, das von der beklagten Daimler AG hergestellte Fahrzeug weise eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines sogenannten „Thermofensters“ auf.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb am 4. Februar 2017 von einem privaten Verkäufer ein gebrauchtes Kraftfahrzeug vom Typ Mercedes-Benz C 220 CDI, Erstzulassung 7. November 2011. Die Laufleistung betrug 69.838 km, der Kaufpreis 13.000 €. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe OM 651 verbaut. Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Bei dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug wird ein variabler Anteil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Das Ausmaß der Abgasrückführung hängt unter anderem von der Außentemperatur ab, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind.

Der Kläger behauptet, dass bei Temperaturen unter 7 °C keine Abgasrückführung mehr stattfinde. Er sieht in der Steuerung der Abgasrückführung eine unzulässige Abschalteinrichtung, die bewirke, dass die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Fahrbetrieb eingehalten würden.

Die Beklagte macht geltend, dass die fragliche Steuerung, die diverse Parameter berücksichtige, schon keine Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstelle, jedenfalls aber zum Schutz des Motors zulässig sei.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es in erster Linie ausgeführt, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB gegen die Beklagte zustehe. Das Inverkehrbringen des später vom Kläger erworbenen Fahrzeugs sei nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen, unabhängig von der objektiven Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in der Motorsteuerung installierten „Thermofensters“. Es könne nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von „Thermofenstern“ – anders als hinsichtlich der Prüfstandserkennung im VW-Motor EA189 – nicht eindeutig.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Artikel 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck: [...]
„Abschalteinrichtung“ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird; [...]

Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007:

Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten; [...]

Vorinstanzen:
Landgericht Mainz – Urteil vom 31. Juli 2019 – 4 O 1/19
Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 20. Januar 2020 – 12 U 1593/19

12.06.2020
OLG wollen von Daimler AG KBA-Rückruf und Antrag zur Typengenehmigung einsehen
Ende der Geheimniskrämerei vor Gericht?

Die Rechtsprechung im Diesel-Abgasskandal hat eine neue verbraucherfreundliche Dynamik erhalten. Entscheidungen am Bundesgerichtshof und Äußerungen am Europäischen Gerichtshof betreffen nicht nur den Volkswagen-Konzern, sondern wirken sich auch auf Verfahren gegen die Daimler AG aus.

Gerichte fordern ungeschwärzte Dokumente von Daimler an

Aktuell liegen zwei aktuelle Verfügungen der Oberlandesgerichte Stuttgart und Nürnberg vor. Daimler wird darin aufgefordert, einen Typengenehmigungsantrag mit Prüfbericht und eine Rückrufanordnung des Kraftfahrt¬-Bundesamtes vorzulegen – selbstverständlich ungeschwärzt. Damit könnte die Geheimhaltungstaktik von Daimler in bisherigen Verfahren ein Ende gesetzt werden.

Das Oberlandesgericht Nürnberg (Az. 5 U 144/20) verfügte am 28. Mai 2020, dass Daimler „binnen 3 Wochen nach Zustellung dieser Verfügung die das streitgegenständliche Kraftfahrzeug betreffende Rückrufanordnung des Kraftfahrt¬-Bundesamtes vorzulegen“ hat. „Die Vorlage hat vollständig und grundsätzlich ohne Schwärzungen zu erfolgen; nicht geschwärzt werden dürfen jedenfalls die Ausführungen des Kraftfahrt-¬Bundesamtes zur Erläuterung der von ihm beanstandeten Funktionen.“ Falls Daimler nicht bereit ist, die Anordnung in ungeschwärzter Form vorzulegen, wird der Autobauer dazu aufgefordert, „stattdessen mit eigenen Worten darzulegen, welche konkreten Funktionen das Kraftfahrt-Bundesamt mit welcher Begründung beanstandet hat“. Der Tenor des Bescheides sei allerdings in jedem Fall vorzulegen. Dem Auto-Konzern sei es darüber hinaus freigestellt, zugleich zu erläutern, weshalb er die Auffassung des Kraftfahrt¬-Bundesamtes nicht teile.

Auch das Oberlandesgericht Stuttgart will dem Diesel-Abgasskandal bei Daimler wohl näher auf den Grund gehen und sich nicht nur mit vagen Behauptungen abspeisen lassen. In einer Verfügung vom 25. Mai 2020 wird Daimler aufgefordert, den für das streitgegenständliche Fahrzeug entsprechenden Typengenehmigungsantrag nebst Prüfbericht und Beschreibungsbogen dem Gericht vorzulegen (Az. 16a U 94/19). Die Kammer legt Wert darauf, dass die Passagen zur Abgasreinigung ungeschwärzt eingereicht werden und für das Gericht prüfbar sind.


Positive Urteile gegen die Daimler AG:
  1. Landgericht Stuttgart – 14. Mai 2020 – Az. 19 O 108/19
  2. Landgericht Stuttgart – 14. Mai 2020 – Az. 19 O 109/18
  3. Landgericht Stuttgart – 08. Mai 2020 – Az. 14 O 74/20
  4. Landgericht Freiburg – 13. März 2020 – Az. 8 O 71/19
  5. Landgericht Oldenburg – 13. Februar 2020 – Az. 16 0 2884/18
  6. Landgericht Stuttgart – 16. Januar 2020 – Az. 27 O 40/19
  7. Landgericht Stuttgart – 24. Oktober 2019 – Az. 20 O 73/19

BGH-Beschluss vom 28. Januar 2020
Im Diesel-Abgasskandal der Daimler AG hält Trendwende an

Nicht nur die Äußerungen am EuGH haben im Diesel-Abgasskandal von Daimler eine Trendwende zugunsten der Verbraucher eingeläutet. Auch der Bundesgerichtshof BGH in Karlsruhe hat sich bereits mit dem Fall Daimler näher auseinandergesetzt und einen richtungsweisenden Beschluss gefällt. Der BGH bemängelte am 28. Januar 2020 (Az.  VIII ZR 57/19), dass das Oberlandesgericht Celle (Az. 7 U 263/18) kein Gutachten eingeholt hat, um zu klären, ob die Daimler AG das Abgaskontrollsystem im Motor OM 651 mit einer Abschalteinrichtung manipuliert hat oder nicht. Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen Mercedes können von einem Gericht nicht einfach als Behauptungen „ins Blaue hinein“ abgewiesen werden. Es reicht, wenn der klagende Verbraucher seiner Argumente schlüssig vorträgt und nicht bis ins kleinste Detail ausführt. Schließlich könne er nicht detailliert wissen, wie ein Motor funktioniere. Der Beschluss könnte jetzt zur Folge haben, dass in Diesel-Verfahren vermehrt Gutachten eingeholt werden müssen, um die Vorwürfe der Verbraucher gegen die Daimler AG zu überprüfen. Der Autobauer äußert sich vor Gericht in der Regel höchst vage zu den gegen ihn gemachten Vorwürfen.

BGH Hinweisbeschluss am 8. Januar 2019

Zudem hatte der BGH mit einem Hinweisbeschluss am 8. Januar 2019 (Az. VIII ZR 225/17) festgestellt, dass Abschaltvorrichtungen im Grundsatz einen Mangel darstellen. Im Diesel-Abgasskandal von VW hat der Bundesgerichtshof in einem ersten Urteil am 25. Mai 2020 VW nach § 826 BGB verurteilt und dem Wolfsburger Autobauer ein schlechtes Zeugnis ausgestellt (Az. VI ZR 252/19). Die Abgasmanipulation, so das Gericht, sei von langer Hand geplant und umgesetzt worden.

09.06.2020
Mercedes ML 350 BlueTec: Daimler AG im Diesel-Abgasskandal erneut verurteilt

Erneut hat die 19. Kammer des Stuttgarter Landgerichts die Daimler AG im Diesel-Abgasskandal verurteilt. Vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB stand am 14. Mai 2020 in der Urteilsbegründung (Az. 19 O 108/19). Damit setzt sich die neue verbraucherfreundliche Rechtsprechung in Stuttgart fort. Die Chancen gegen Daimler vor Gericht zu gewinnen, sind mit dem Urteil und durch Äußerungen am Europäischen Gerichtshof und Bundesgerichtshof enorm gestiegen. Temperaturabhängig gesteuerte Abschalteinrichtungen wie das von Daimler verwendete Thermofenster sind vor dem EuGH am 30. April 2020 in Schlussanträgen als unzulässig bezeichnet worden.

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger im April 2012 einen neuen Mercedes-Benz ML 350 BlueTec 4Matic zu einem Kaufpreis von 80.799,89 EUR erworben. Das Fahrzeug mit seinem Motor OM 642 ist von einem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes KBA betroffen.

Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA aus der Schweiz habe einen Mercedes Euro 6 ML 350 BlueTec getestet. Bei Durchfahren im kalten Motor habe das Fahrzeug die vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten. Mit warmem Motor habe der Stickoxidausstoß bei 444mg/km gelegen und damit den zulässigen Grenzwert von 80 mg/km um mehr als das Fünffache überstiegen. Die Tests des Schweizer EMPA sind laut Kläger auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragbar.
 
Das Gericht folgte in seinem Urteil letztlich dem Kläger und verurteilte die Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB. Der Autobauer hat den Kunden arglistig getäuscht. Daimler muss das Fahrzeug zurücknehmen.
Der Käufer muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

08.06.2020
Landgericht Stuttgart: Erneute Verurteilung der Daimler AG

Am Stuttgarter Landgericht bleibt es derzeit offensichtlich bei einer verbraucherfreundlichen Rechtsprechung. Die 19. Kammer verurteilte die Daimler AG am 14. Mai 2020 im Diesel-Abgasskandal wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB (Az. 19 O 109/19). Die Chancen der Verbraucher gegen Daimler vor Gericht zu gewinnen, sind mit dem Urteil und durch Äußerungen am Europäischen Gerichtshof und Bundesgerichtshof weiter deutlich gestiegen. Temperaturabhängig gesteuerte Abschalteinrichtungen wie das von Daimler verwendete Thermofenster sind vor dem EuGH am 30. April 2020 in Schlussanträgen als unzulässig bezeichnet worden.

Daimler bestreitet nur „selektiv“ die Vorwürfe

Die Daimler AG muss nach dem aktuellen Urteil der 19. Zivilkammer des Landgericht Stuttgarts den streitgegenständlichen Mercedes-Benz ML 350 CDI zurücknehmen und dem Kläger im Gegenzug 53.497,78 Euro nebst Zinsen bezahlen. Der klagende Verbraucher muss sich jedoch eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, da er durch die Benutzung des Fahrzeugs nach Ansicht des Gerichtes einen Vorteil hatte. Hier die wichtigsten Eckdaten zum Urteil:

  • Im vorliegenden Fall hatte der Kläger im Oktober 2012 einen neuen Mercedes-Benz ML 350 CDI zu einem Kaufpreis von 82.059,90 EUR erworben. Das streitgegenständliche Fahrzeug mit seinem Motor OM 642 ist von einem verpflichtenden Rückruf betroffen.

  • In dem Fahrzeug sollen verschiedene Abschalteinrichtungen zum Einsatz gekommen sein. Die Kontrolle der Sickoxidemissionen erfolgt in dem Fahrzeug über die sogenannte Abgasrückführung (AGR). Dabei werden Teile der Abgase in den Motor zurückgeführt und erneut verbrannt. Die Abgasrückführung wird mit dem „Thermofenster“ bei kühleren Außentemperaturen reguliert – also zurückgefahren. Die EU-Grenzwerte werden in diesem Fall im Normalbetrieb auf der Straße nicht eingehalten. Auch ein SCR-Katalysator mit AdBlue-Einspritzung ist im Fahrzeug verbaut.

  • Das Gericht folgte in seinem Urteil letztlich dem Kläger und verurteilte die Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB. Daimler muss das Fahrzeug zurücknehmen.

  • Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007. Auf dem Prüfstand werden die Abgasnormen eingehalten, im Straßenverkehr jedoch nicht.

  • Im Verfahren habe die Klagepartei durch den Zeugen Axel Friedrich, der als Umweltexperte und Chemiker nahezu alle Motorenfamilien der Daimler AG getestet hat, schlüssig vorgetragen, dass die Fahrzeuge bei einem Warmstart (NEFZ-warm) massiv höhere Emissionen verursachten als bei einem Kaltstart. Erkannt werde der Warmstart über die Kühlmitteltemperatur und andere Parameter wie zum Beispiel Neigungswinkel oder zeitliche Faktoren. Daimler habe diesen Vortrag nur „selektiv bestritten“, so das Gericht. Die Beklagte habe für die ungewöhnlich hohen Unterschiede der Emissionswerte im NEFZ-kalt und NEFZ-warm keine Ausnahmetatbestände angeführt, die diese erklären oder gar rechtfertigen.

  • Für den Käufer bestand durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Gefahr, dass das Fahrzeug die Fahrerlaubnis von Behördenseite entzogen bekomme. Diesen Umstand habe Daimler verschwiegen und somit den Kunden getäuscht.

  • Mit dem Abschluss des Kaufvertrages ist der Schaden verursacht worden. Der Kläger hätte den Kaufvertrag nie abgeschlossen, wenn er von der Manipulation am Abgaskontrollsystem gewusst hätte. Auch hätte das Fahrzeug nie in den Verkehr gebracht werden dürfen, da die Typengenehmigung der zugrundeliegenden EU-Verordnung widerspricht. Für das Gericht stellt dieser Zusammenhang eine arglistige Täuschung dar.

  • Die Kammer ging auch davon aus, dass der Einbau der Abschalteinrichtung ohne Wissen des Vorstands kaum vorstellbar und falls doch, es dem Vorstand zuzurechnen sei. Und daher von einem vorsätzlichen Handeln auszugehen ist.

  • Der Käufer muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen

  • Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

12.05.2020
Erneute Niederlage der Daimler AG vor dem Landgericht Stuttgart
Chancen der Verbraucher steigen dank EuGH


Am Stuttgarter Landgericht setzt sich offensichtlich nach und nach die Rechtsauffassung durch, dass die Daimler AG ihre Kunden im Diesel-Abgasskandal vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht hat. Die 12. Zivilkammer verurteilte Daimler am 24. April 2020 nach § 826 BGB (Az. 12 O 319/19). Die Chancen der Verbraucher gegen Daimler vor Gericht zu gewinnen, sind durch Äußerungen am Europäischen Gerichtshof gestiegen. Temperaturabhängig gesteuerte Abschalteinrichtungen – Daimler verwendet ein Thermofenster - sind vor dem EuGH in Schlussanträgen als unzulässig bezeichnet worden.

Trendwende im Diesel-Abgasskandal der Daimler AG

Die Äußerungen am EuGH und die vermehrten verbraucherfreundlichen Urteile auch vom Landgericht Stuttgart zeigen, dass die Chancen, gegen die Daimler AG vor Gericht zu gewinnen, derzeit enorm ansteigen. Die Diesel-Fahrzeuge sind durch die mögliche Manipulation am Abgaskontrollsystem des Motors in ihrem Wert gemindert.

Auch der Bundesgerichtshof BGH in Karlsruhe hat sich bereits mit dem Fall Daimler näher auseinandergesetzt und einen richtungsweisenden Beschluss gefällt. Der BGH bemängelte am 28. Januar 2020 (Az.  VIII ZR 57/19), dass das Oberlandesgericht Celle (Az. 7 U 263/18) kein Gutachten eingeholt hat, um zu klären, ob die Daimler AG das Abgaskontrollsystem im Motor OM 651 mit einer Abschalteinrichtung manipuliert hat. Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen Mercedes können von einem Gericht nicht einfach als Behauptungen „ins Blaue hinein“ abgewiesen werden. Auch dann nicht, wenn kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegt. Der Beschluss hat jetzt zur Folge, dass in Diesel-Verfahren vermehrt Gutachten eingeholt werden müssen, um die Vorwürfe der Verbraucher gegen die Daimler AG zu überprüfen. Der Autobauer äußert sich vor Gericht in der Regel höchst vage zu den Vorwürfen.

Zudem hatte der BGH mit einem Hinweisbeschluss am 8. Januar 2019 (Az. VIII ZR 225/17) festgestellt, dass Abschaltvorrichtungen im Grundsatz einen Mangel darstellen. Im Diesel-Abgasskandal von VW hat der Bundesgerichtshof in einer ersten Einschätzung sich ebenfalls verbraucherfreundlich geäußert und eine Verurteilung von VW nach § 826 BGB in Aussicht gestellt.

Daimler muss Verbraucher Zinsen ab dem Kaufdatum bezahlen

Die Daimler AG muss nach dem aktuellen Urteil der 12. Zivilkammer des Landgericht Stuttgarts den streitgegenständlichen Mercedes Benz C 180 CDI zurücknehmen und dem Kläger im Gegenzug 9292,38 Euro nebst Zinsen bezahlen. Der klagende Verbraucher muss sich jedoch eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, da er durch die Benutzung des Fahrzeugs einen Vorteil hatte. Daimler muss dem Verbraucher jedoch Zinsen ab Kaufdatum bezahlen. Dieser sogenannte deliktische Zins ergibt sich für das Gericht aus dem sittenwidrigem Verhalten nach § 826, 849, 246 BGB. Hier die wichtigsten Eckdaten zum Urteil:

  • Im vorliegenden Fall hatte der Kläger im Juli 2012 einen gebrauchten Mercedes-Benz C 180 CDI von einem am Verfahren nicht beteiligten Händler zu einem Kaufpreis von 24.500 EUR erworben.

  • In dem Fahrzeug mit dem Motor OM 651 sollen verschiedene Abschalteinrichtungen zum Einsatz gekommen sein. Die Kontrolle der Sickoxidemissionen erfolgt in dem Fahrzeug über die sogenannte Abgasrückführung (AGR). Dabei werden Teile der Abgase in den Motor zurückgeführt und erneut verbrannt. Die Abgasrückführung wird mit dem „Thermofenster“ bei kühleren Außentemperaturen reguliert – also zurückgefahren. Die EU-Grenzwerte werden in diesem Fall im Normalbetrieb auf der Straße nicht eingehalten. Ein offizieller Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes KBA für das Fahrzeug-Modell liegt derzeit nicht vor.

  • Die Daimler AG bestätigte den Einbau eines Thermofensters, wies jedoch darauf hin, dass die Abgasregulierung ab einer Umgebungslufttemperatur von unter 18 Grad und über 32 Grad schrittweise reduziert werde. Diese Maßnahme sei zum Schutz des Motors notwendig. Da sonst Versottung und Motortotalausfall drohten. Der Fahrzeugbauer vertrat zu dem die Meinung, dass die EU-Grenzwerte nur auf dem Prüfstand einzuhalten seien.

  • Das Gericht folgte in seinem Urteil dem Kläger und verurteilte die Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB.

  • Die Kammer ging auch davon aus, dass der Einbau der Abschalteinrichtung ohne Wissen des Vorstands kaum vorstellbar und falls doch, es dem Vorstand zuzurechnen sei.

  • Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007. Eine unzulässige Abschalteinrichtung stünde der Typengenehmigungserteilung entgegen; dass bisher kein amtlicher Rückruf vorliegt, ist unerheblich, da dies nicht bedeutet, dass kein Rückruf droht bzw. für die Zukunft ausgeschlossen ist.

  • Das Gericht bezog sich in seinem Urteil auch indirekt auf den BGH-Beschluss vom 28. Januar 2020 (Az. VIII ZR 57/19). Hierbei macht die Kammer klar, dass die Klagepartei ausreichend ihren Vorwurf dargelegt hat und Daimler diesen nicht entkräften konnte.

  • Zudem verwies das Gericht auf den Hinweisbeschluss des BGH vom 8. Januar 2019 (Az. VIII ZR 225/17), wonach die Grenzwerte auf der Straße einzuhalten sind. Auch im EuGH-Schlussantrag im Fall VW ist auf die Einhaltung der Grenzwerte im normalen Betrieb hingewiesen worden. Autohersteller argumentieren vor Gericht derzeit, dass dies nur auf dem Prüfstand erforderlich sei. Dass dem nicht so ist, darauf hat auch der BGH hingewiesen. Das Landgericht argumentierte weiter, dass die EG-Verordnung 715/007 eng auszulegen sei. Eine Abschalteinrichtung die aus Motorschutzgesichtspunkten „ununterbrochen arbeitet“ sei im Sinne der Verordnung nicht notwendig und liefe ihr „komplett“ zuwider. Die Verordnung habe die Intention, die Luftqualität in Europa zu verbessern.

Daimler am Landgericht Stuttgart gleich fünf Mal verurteilt / Autobauer muss Zinsen ab Kaufdatum zahlen

Das Landgericht Stuttgart hat die Daimler AG am 31. März 2020 gleich in fünf Verfahren im Diesel-Abgasskandal verurteilt. Der Autobauer muss jeweils den Kaufpreis erstatten, das mangelhafte Fahrzeuge zurücknehmen und den Verbrauchern Zinsen für jedes Jahr bezahlen, das sie mit dem Mercedes gefahren sind. Für das Gericht hatte die Daimler AG die Kläger vorsätzlich sittenwidrig nach § 826 BGB getäuscht und damit geschädigt. Die 23. Zivilkammer ging in seinen Urteilen davon aus (Az. 23 0 186/19; 23 O 236/19; 23 0 2945/17; 23 0 3078/18 und 23 0 2222/18), dass in den Fahrzeugen mit sogenannten Thermofenstern eine unzulässige Abschalteinrichtung zur Manipulation der Abgasreinigung verbaut worden war.
 
Mercedes Benz mit unzulässiger Abschaltreinrichtung

In den vorliegenden fünf Fällen muss die Daimler AG die Fahrzeuge zurücknehmen und den Kaufpreis nach Abzug einer Nutzungsentschädigung erstatten. Hinzu kommen Zinsen für jedes Jahr, in dem die Kläger das manipulierte Fahrzeug gefahren haben. In den Fahrzeugen sollen verschiedene Abschalteinrichtungen zum Einsatz gekommen sein. Die Kontrolle der Stickoxidemissionen erfolgt über die sogenannte Abgasrückführung (AGR). Dabei werden Teile der Abgase in den Motor zurückgeführt und erneut verbrannt. Die Abgasrückführung wird mit dem „Thermofenster“ bei kühleren Außentemperaturen reguliert – also zurückgefahren. Die EU-Grenzwerte werden in diesem Fall im Normalbetrieb auf der Straße nicht eingehalten. Das LG Stuttgart stellt fest, dass der eingetretene Schaden der Klägerpartei bereits im Abschluss des Vertrags liege, der bei Kenntnis der Umstände nicht abgeschlossen worden wäre. Der Kläger habe dadurch ein Fahrzeug erworben, dass nicht seinen Vorstellungen entsprach und mit dem Risiko „nachbehördlicher Maßnahmen“ bis hin zur Stilllegung belastet war. Durch diesen wirtschaftlich nachteiligen Vertrag sei dem Kläger ein Vermögensschaden entstanden.

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BGH: Trendwende im Diesel-Abgasskandal der Daimler AG

Auch der Bundesgerichtshof BGH in Karlsruhe hat sich mit dem Fall Daimler näher auseinandergesetzt und einen richtungsweisenden Beschluss gefällt. Der BGH bemängelte am 28. Januar 2020 (Az.  VIII ZR 57/19), dass das Oberlandesgericht Celle (Az. 7 U 263/18) kein Gutachten eingeholt hat, um zu klären, ob die Daimler AG das Abgaskontrollsystem im Motor OM 651 mit einer Abschalteinrichtung manipuliert hat. Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen Mercedes können von einem Gericht nicht einfach als Behauptungen „ins Blaue hinein“ abgewiesen werden. Auch dann nicht, wenn kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegt. Der Anspruch des klagenden Verbrauchers auf rechtliches Gehör nach Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz sei verletzt worden, so der BGH. Zudem genüge es, wenn der klagende Verbraucher seine Behauptungen gegen den Autobauer nur mit hinreichenden Anhaltspunkten untermauere. Deshalb dürfe es ihm nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er selbst kein zuverlässiges Wissen besitze und auch nicht erlangen könne.

Der Beschluss hat jetzt zur Folge, dass in Diesel-Verfahren vermehrt Gutachten eingeholt werden müssen, um die Vorwürfe der Verbraucher gegen die Daimler AG zu überprüfen. Meist nutzen Landgerichte ein Argument, um die Verfahren gegen den Autobauer abzubügeln: Der Vortrag der Kläger zu einer illegalen Abschalteinrichtung sei nicht stichhaltig genug, daher man müsse keinen Beweis erheben. Letztlich hat er BGH die Verbraucherrechte massiv gestärkt und läutet wie im schon im Fall VW die Wende ein. Der BGH hatte mit einem Hinweisbeschluss am 8. Januar 2019 (Az. VIII ZR 225/17) entschieden, dass Abschaltvorrichtungen im Grundsatz einen Mangel darstellen. Diese Sichtweise ebnete in vielen darauffolgenden Verfahren den Weg für die Rückgabe des Fahrzeugs oder zu Schadensersatzforderungen. Richter in Daimler-Fällen beziehen sich bei Verurteilungen mittlerweile auch auf diesen Beschluss. Und selbst im ersten Urteil gegen BMW bezog sich das Landgericht Düsseldorf ausdrücklich auf den BGH-Beschluss zu Daimler.

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Daimler am Landgericht Stuttgart erneut verurteilt / Autobauer muss Zinsen ab Kaufdatum an Verbraucher zahlen

Ein bemerkenswertes Urteil ist erneut am Landgericht Stuttgart im Diesel-Abgasskandal gegen die Daimler AG gefällt worden. Das Gericht verurteilte den Autobauer am 31. März 2020 wegen sittenwidriger Täuschung nach § 826 BGB zu Schadensersatz in Höhe von 31.005,57 EUR. Die 23. Zivilkammer sprach darüber hinaus dem Kläger auch den sogenannten Deliktszins in Höhe von vier Prozent zu. Damit muss Daimler dem Kläger ab Fahrzeugerwerb Zinsen auf den Kaufpreis bezahlen. Das Gericht ging in seinem Urteil davon aus (Az. 23 O 16/19), dass in dem Fahrzeug mit dem sogenannten Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung zur Manipulation der Abgasreinigung verbaut worden war. Dies habe zu einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 BGB geführt.

www.anwalt.de vom 14.11.2019
Dieselklage Mercedes: Mammutverfahren gegen Daimler – LG Stuttgart stellt Weichen für EuGH-Vorlage

Stuttgart, den 13.11.2019 – Nach einem Verhandlungsmarathon (21 Verfahren und 18 Anwälte) am Stuttgarter Landgericht stehen die Zeichen für Besitzer eines Mercedes-Benz-Diesels besser als je zuvor.

Nach der mündlichen Verhandlung sieht derzeit alles danach aus, dass wesentliche Fragen im Dieselskandal dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt werden. Bestätigt der EuGH die Überlegungen des Stuttgarter Richters, hat dies große positive Auswirkungen auf die Schadensersatzklagen aller Dieselfahrer. Mehr noch: Der EuGH soll auch Stellung dazu beziehen, ob die Verbraucher bei Rückgabe ihres Diesels den vollen Kaufpreis erstattet bekommen.


Landgericht Stuttgart: Daimler hat im Diesel-Abgasskandal „arglistig getäuscht“

Die Daimler AG hat im Diesel-Abgasskandal einen Verbraucher „arglistig getäuscht“ und ist deshalb vom Landgericht Stuttgart verurteilt worden (Az. 20 O 73/19). Der Kläger erhält Schadensersatz, inklusive Zinsen und muss sich allerdings eine Nutzungsentschädigung für den Gebrauch des Fahrzeugs anrechnen lassen. Interessant an dem Urteil ist, dass sich das Gericht auf EU-Recht bezieht, das durch die Abschaltvorrichtung im Motor von Daimler umgangen worden ist. 

Daimler AG leugnet Beteiligung am Diesel-Abgasskandal

Der Kläger hatte im Februar 2015 ein gebrauchtes Fahrzeug des Autobauers erworben und es später weiterveräußert. Er hätte das Fahrzeug nie gekauft, wenn er gewusst hätte, dass der Motor mit einer unerlaubten Abschalteinrichtung ausgestattet sei, um die Abgaswerte im Testbetrieb erheblich vom Realwert abweichen zu lassen. Die Fahrzeuge hätten daher im Straßenverkehr ein Vielfaches der von der Europäischen Union mit Blick auf die Gesundheit und die Umwelt als zulässig erachteten Emissionen ausgestoßen. Die Daimler AG widersprach im Verfahren dieser Argumentation. Eine Manipulationssoftware gäbe es in dem Fahrzeug nicht. Die Abgasmenge entspreche der geltenden Euro-6-Norm.
Was der Diesel-Abgasskandal mit EU-Recht zu tun hat

Das Landgericht Stuttgart gab dem Verbraucher recht und verurteilte den Autokonzern wegen „arglistiger Täuschung“ – unter anderem aufgrund  Paragraph 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch. Es liegt auf der Hand, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung, dass ein Käufer nur ein Fahrzeug erwerben möchte, weiches die gesetzlichen Vorschriften einhält. Im vorliegenden Fall bestand die konkrete Gefahr, dass jederzeit die Zulassung widerrufen werden konnte, weil das Fahrzeug tatsächlich die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllte. In der Folge drohten dem Kläger Nutzungsbeschränkungen und Wertverlust. Daimler habe verschwiegen, dass das Fahrzeug nicht den Vorgaben der Europäischen Union entsprach, wonach Autos nur dann zugelassen werden dürfen, wenn diese bei normalen Betriebsbedingungen die Grenzwerte des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht überschreiten.

Hinweisbeschluss des BGH wirkt auch in den Daimler-Skandal

Daimler vertrat die Ansicht, dass die Emissionsgrenze der Euro-Norm nur unter detailliert normierten Prüfungsbedingungen zu gelten haben. Auch hier widersprach das Landgericht Stuttgart deutlich und verwies auf höchstrichterliche Rechtsprechung. Die in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 genannten Grenzwerte sind auch im realen Fahrbetrieb unter normalen Betriebsbedingungen einzuhalten. Dazu gibt es ein Urteil vom 13.12.2018 des Europäischen Gerichts (T-339/16) und der vielzitierte Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2019 (VIIIZR 225/17), der höchstrichterlich eine Abschaltvorrichtung beim Volkswagen-Konzern als Mangel einstufte.

www.presseportal.de vom 19.07.2019
Hammer Urteil: OLG Stuttgart entscheidet gegen DAIMLER - Erfolg für Verbraucher

In den Abgasskandalfällen hat DAIMLER die ersten Schlachten im Januar 2019 verloren. Seitdem ebbt der Erfolg nicht ab. Wie sich das OLG Stuttgart positionieren würde, war bislang nicht klar.

Dies vor allem deswegen, weil sich einige Kammern am Landgericht Stuttgart entgegen dem Mainstream querstellten.
Vor allem die 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart bereitete den Verbrauchern in der Vergangenheit erhebliche Schwierigkeiten. Es wurde erwartet, dass die Verbraucher mit Expertenwissen die einzelnen technischen Umstände des Abgasskandals beschreiben.
Doch damit ist jetzt Schluss! Denn der 3. Zivilsenat des OLG Stuttgarts hat ein Machtwort gesprochen:

Der für Daimler zuständige 3. Senat des Oberlandesgericht Stuttgart hat sich offensiv zugunsten der Verbraucher positioniert und verortet nunmehr die Darlegungslast unmittelbar bei Daimler (AZ: 3 U 101/18)! Damit ist für die Verbraucher eine erhebliche Entlastung eingetreten. Ein weiterer Meilenstein!

Dies ist der Grundstein für eine Tsunami-Klagewelle gegen die Daimler AG. …

Dieselskandal - Schadensersatz bei Mercedes Benz

Urteile des Landgerichts Stuttgart vom 17.01.2019,  Az.:23 O 178/18, 23 O 172/18 und 23 O 180/18. In 3 Urteilen wurde die Daimler AG zu Schadensersatz verurteilt.

Auch Besitzer einer A-Klasse von Mercedes sind möglicherweise vom Abgasskandal betroffen. Auch in der A-Klasse ist ein Motor verbaut, bei dem der Verdacht besteht, dass Daimler eine illegale Abschalteinrichtung verwendet.  Es handelt sich um den Motor mit der Bezeichnung OM 651. Der Dieselmotor OM 651 wurde von Daimler in den Jahren 2008 bis 2016 in zahlreichen Modellreihen verbaut. Offizielle Rückrufe des Kraftfahrbundesamtes  bezüglich anderer Modelle als der A-Klasse sind bereits erfolgt, denn es wurde bei einigen Modellen der Verdacht, dass illegale Abschalteinrichtungen verbaut sind, bereits bestätigt. Man findet die Motoren in fast allen Baureihen. Experten gehen daher davon aus, dass zahlreiche Rückrufe folgen werden.  Daimler wehrt sich gegen die Bescheide des Kraftfahrt-Bundesamtes und ist der Ansicht, dass keine Gesetzesverstöße vorliegen.

Geschädigte haben jedoch sehr gute Aussichten auf Schadensersatz, selbst wenn es keinen offiziellen Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt gibt. Das Landgericht Stuttgart hat erst kürzlich in 3 Urteilen die Daimler AG zu Schadensersatz verurteilt. In diesen Verfahren ging es um Euro 5 Fahrzeuge, die nach Ansicht des Landgerichts Stuttgart manipuliert sind, obwohl die Fahrzeuge nicht von einem Zwangsrückruf durch das Kraftfahrtbundesamt betroffen sind. Das Landgericht Stuttgart geht davon aus, dass die Fahrzeuge durch ein sogenanntes Thermofenster manipuliert sind. Deshalb steht den Kunden ein Schadensersatzanspruch zu.

Landgericht Hanau, Urteil vom 07.06.2018
Aktenzeichen: 9 O 76/18 (nicht rechtskräftig)

Besonderheit: Es ging um einen Mercedes Vito. Das Gericht entschied: Daimler muss das manipulierte Fahrzeug wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zurücknehmen und den Kaufpreis in Höhe von 59 500 Euro abzüglich einer Nutzungsentschädigung für mit dem Wagen gefahrene Kilometer erstatten.

Landgericht Karlsruhe, (Versäumnis-)Urteil vom 05.06.2018
Aktenzeichen: 18 O 24/18 (nicht rechtskräftig)

Besonderheit: Es ging um einen Mercedes-Benz C200 d T-Modell. Das Gericht entschied: Daimler muss das manipulierte Fahrzeug wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für bereits gefahrene Kilometer erstatten. Daimler hatte sich gegen die Klage nicht verteidigt, möglicher-weise aus taktischen Gründen. Es erging deshalb ein so genanntes Versäumnisurteil. Das Gericht prüft nur, aber immerhin, ob dem Kläger auf der Grundlage seiner Darstellung des Falls der geforderte Schadensersatz zusteht.


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